„Weltweit sind mehr als 1400 Fledermausarten nachgewiesen. Je nach Definition kommen bei uns 26 bis 28 davon vor“, sagt Anna Nele Herdina von BatLife Österreich. Wie ihren Kollegen Guido Reiter von der Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich, KFFÖ, begeistert sie die komplexe Lebensweise, die ausgefallene Fortpflanzung und die Tricks, mit denen die Überflieger sicher durch die Dunkelheit manövrieren.
Insektenfresser
„Fast alle heimischen Arten sind Insektenfresser“, sagt Herdina. Ob Kleiner Abendsegler oder Großes Mausohr – die felligen Flieger ernähren sich von tierischem Protein. Während die einen knapp über der Wasseroberfläche jagen oder zwischen Bäumen, klauben andere schlafende Käfer oder Falter von Blättern ab. Die meisten sind Nahrungsspezialisten. „Das Insektensterben hat noch keine merkbaren Auswirkungen auf die Bestände“, sagt Reiter.
Fledermäuse suchen weniger in der Kulturlandschaft Nahrung, sie stärken sich eher in Siedlungen. Ein allzu aufgeräumter Wald dagegen dezimiert ihr Futterangebot und damit ihre Zahlen. Und der Klimawandel? Er begünstigt schon jetzt das Überleben der Kurz- und Langstreckenzieher. Lange, milde Monate ermöglichen das Anfuttern von Fettreserven für den Winterschlaf bzw. die Reise in wärmere Gefilde. Anhaltende tiefe Temperaturen wirken stark limitierend. Sie rauben Energie und erschweren die Vermehrung. Apropos: „Die Paarung erfolgt im Herbst. Das Weibchen speichert das Sperma über die kalte Jahreszeit, die Eizelle wird erst im Frühling befruchtet“, erklärt Herdina. Die Tragzeit richtet sich nach der maximalen Verfügbarkeit von Nahrung für die Mutter in spe und ihr Einzelkind.
Kulturfolger
Aktuell kommt Leben in die Kolonien. „Fledermäuse sind Kulturfolger“, sagt Reiter. Zurzeit verlassen sie ihre Winterquartiere in Stollen oder Felshöhlen und beziehen Dachböden, Kirchtürme, Gebäudespalten oder Baumhöhlen. Wandernde Arten legen bis zu 2000 km zurück. Um sich auf ihren Ausflügen zurecht zu finden, setzen die Navigatoren auf ausgefeilte Ortungssysteme. „Fledermäuse rufen sehr laut. Manche schreien mit dem Mund, manche mit der Nase“, schildert Herdina.
Der Ultraschall wird im Kehlkopf gebildet, das zurückkommende Echo lässt ein Hörbild entstehen. Hindernisse werden damit genauso erfasst wie Beute. Zusätzlich verfügen sie über einen Magnetsinn, der eine Landkarte für ihre Flugstrecken zeichnet.
Bedroht
„Fledertiere haben eine wichtige Funktion im Ökosystem“, sind sich die Experten einig. Doch viele heimische Arten sind bedroht. Von ihnen selbst geht kaum Gefahr aus. „Die Übertragung von Viren von einer Fledermaus auf den Mensch ist kompliziert“, sagt Reiter.
Grundsätzlich sollen Wildtiere nicht mit bloßen Händen angegriffen werden. Wer gebissen wird, braucht eine Tollwutimpfung. „In Österreich wurde zwar noch keine Fledermaus mit Tollwut gefunden. In Deutschland gibt es ein paar Fälle, aber keine Erkrankungen“, beruhigt er. Der Fledermaus-Fan findet noch etwas erfreulich: „Gerade bei Kindern kommen Fledermäuse gut an.“ Dem kleinen Vampir und Batman sei Dank.
Doppelte Abwehr
Viele Fledermausarten sind ein natürliches Reservoir für pathogene Viren. Ob SARS, Ebola oder Corona – es ist kein Zufall, dass gefährliche Viren immer wieder von den fliegenden Säugern ausgehen, berichten britische Forscher im Fachmagazin eLife. Die Tiere können sich besser vor den Erregern schützen.
Fledermäuse verfügen über Interferon-Alpha. Dieser Botenstoff flutet beim ersten Kontakt mit einem Krankheitserreger den Körper, aktiviert die Abwehr und schottet Zellen gegen das Virus ab. Gleichzeitig verhindert der Botenstoff eine überschießende Entzündungsreaktion und dämpft die Symptome. Verantwortlich dafür ist ein besonders aktiver Stoffwechsel: Beim Fliegen fallen vermehrt destruktive Radikale und entzündungsauslösende Abfallstoffe an. Das Immunsystem antwortet entsprechend.
Als Folge rüsten die Viren auf. Werden sie dann – direkt oder über Zwischenwirte – auf den Menschen übertragen, ist dessen schwächeres Immunsystem schnell überfordert.
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