Snyder hat Menschen über Jahre beim Altern beobachtet – mikrobiologisch. „Ich bin daran interessiert, was genau im Körper abläuft.“ Er hat also 106 Probanden im Alter von 29 bis 75 Jahren regelmäßig Blut abgenommen, ihre Stuhlproben analysiert, Bakterien aus der Nase angeschaut. So kamen Daten zu 10.343 Genen, 368 Proteinen aus dem Blut, 722 Stoffwechselprodukten und 6.909 Mikroorganismen zusammen – von jeder einzelnen Testperson.
Das Team verfolgte auch, wie sich diese Daten innerhalb von dreieinhalb Jahren veränderten. Und dann kam der Heureka-Moment. Der Genetiker erkannte: Jeder Mensch hat ein einzigartiges molekularbiologisches Profil. Dieses Profil wandelte sich mit den Jahren auf charakteristische Weise – und das kumulierte in vier Typen. Beim einen waren vor allem Veränderungen des Stoffwechsels zu erkennen, beim nächsten solche des Immunsystems, weiters der Leber- oder der Nierenfunktion. „Menschen sind wie Autos“, vergleicht Snyder. „Wagen werden insgesamt auch älter, aber beim einen gibt zuerst der Motor den Geist auf, beim anderen zuerst die Bremse.“
Bei der Einteilung gehe es aber um viel mehr als um Etikettierung, sagt der Genetiker. Er wolle die biochemischen Alterungsprozesse verstehen, um Menschen länger gesund zu erhalten. So könne jeder die Risikofaktoren eingrenzen, die später höchstwahrscheinlich bei ihm zu gesundheitlichen Problemen führen werden. Und handfeste Anhaltspunkte für individuelle Empfehlungen seien genau das, was in der Altersmedizin bisher fehlte.
Weniger Kohlenhydrate
Stoffwechsel-Alternden rät Snyder zum Beispiel, die Ernährung zu überdenken. Weil im Laufe der Jahre ein bestimmtes Hämoglobin im Blut zunimmt, das in der Regulation des Blutzuckers eine Rolle spielt – ein erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 inklusive. „Zu viele Kohlehydrate tun da auch nicht gut“.
Menschen mit einem Immun-Alterstyp hingegen könnten mit zunehmendem Alter höhere Werte bei Entzündungsmarkern ausbrüten und anfälliger für immunbedingte Krankheiten werden. „Entzündungen lassen sich bekämpfen, indem man regelmäßig körperlich aktiv ist“, weiß der Mediziner. Wer zu den Leber-Anfälligen gehört, könnte das Organ öfter als üblich testen lassen, um krankhafte Veränderungen frühzeitig zu erkennen. „Viel Wasser-Trinken ist wiederum besonders für Nieren-Alterer wichtig“, sagt Snyder.
Tatsächlich änderten einige Studienteilnehmer ihre Lebensweise – stellten ihre Ernährung um, verloren Gewicht oder nahmen Statine (Cholesterinsenker) ein, um ihre Nierenfunktion zu verbessern. „Manche Menschen können den Alterungsprozess umkehren“, sagt der Studienleiter. Man kann das System austricksen, die mikrobiologischen Pfade, entlang derer das Altern abläuft, ändern. Kurz: „Die Art und Weise, wie man altert, zum Besseren verändern.“
Eine Mischung
Der Forscher weiß, wovon er redet, hat er es doch bereits selbst versucht. Als er mit seinen Forschungen begann, „hatte ich ja gehofft, innerlich um vieles jünger zu sein. War ich aber nicht. Ich war über 60 und alterte normal.“ Snyder erkannte: „Ich bin ein Stoffwechsel-, Nieren- und Leber-Alterungstyp, denn es gibt natürlich auch Mischtypen. Nur in Sachen Immunsystem bin ich gut“, erzählt er und begann sofort, Gewichte zu heben.
Normalsterbliche müssen übrigens noch warten, ehe sie wissen, welcher Alterungstyp sie sind. Der Genetiker kann sich aber gut vorstellen, dass die Ageotyp-Marker irgendwann routinemäßig in Gesundenuntersuchungen bestimmt werden.
Übrigens: In seine Studie verirrte sich auch eine Handvoll Menschen, die während der gesamten Laufzeit eine langsamere Alterungsrate als normal aufwiesen. Wie oder warum ist immer noch ein Rätsel
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