Coronavirus - China kämpft um ersten Platz beim Impfstoff
In China nahm die Corona-Krise ihren Ausgang, nun setzt die Volksrepublik alles daran, als erstes Land einen Impfstoff gegen das neue Virus einzusetzen. Doch nach mehreren Skandalen ist das Misstrauen gegen die heimische Pharmaindustrie groß.
Beschleunigte Verfahren
Peking erlaubt beschleunigte Verfahren, gibt Geld, setzt Wissenschafter des Militärs ein und liefert den Unternehmen Virusstämme. Die Strategie geht auf: Von den etwa zehn Impfstoffen, die derzeit weltweit am Menschen erprobt werden, wurden fünf in China entwickelt.
Sechs Monate nach Bekanntwerden der ersten Covid-19-Fälle in Wuhan berichten chinesische Forscher von vielversprechenden Impfstoffkandidaten. Mit am weitesten gediehen ist die Entwicklung der Militärakademie für Medizinforschung in Kooperation mit dem Pharmaunternehmen CanSinoBIO.
Normalerweise müssen vorklinische Studien für einen Impfstoff - zum Beispiel Tierversuche - abgeschlossen sein, bevor er am Menschen getestet wird. Um die Bevölkerung so schnell wie möglich zu immunisieren, dürfen die Studien nun gleichzeitig laufen.
Ding Sheng, Leiter des Instituts für Pharmazie an der renommierten Tsinghua-Universität in Peking, kritisiert die Ausnahmeregeln. "Ich verstehe, dass die Menschen sehnsüchtig auf einen Impfstoff warten. Aber aus wissenschaftlicher Sicht können wir es uns nicht leisten, unsere Standards zu senken, nicht einmal im Notfall", argumentiert er in "People's Daily", der Zeitung der kommunistischen Partei.
Die Pharmafirma Sinopharm rechnet damit, dass ihr Impfstoff Ende des Jahres, spätestens aber Anfang 2021 einsatzbereit ist. Die chinesische Gesundheitsbehörde hofft, bereits im September besonders gefährdete Menschen wie zum Beispiel medizinisches Personal impfen zu können.
Doch bevor Impfkampagnen anlaufen, muss Peking die Bevölkerung erst von der Sicherheit der Spritze überzeugen. Korruptionsskandale und mangelhafte Medikamente haben das Vertrauen in die chinesische Pharmaindustrie in den vergangenen Jahren erschüttert.
Unterlagen gefälscht
Das Unternehmen Changsheng Biotechnology im nordostchinesischen Changchun wurde 2018 zu einer Rekordstrafe von 9,1 Milliarden Yuan (1,2 Milliarden Euro) verurteilt, nachdem es seine Unterlagen über einen Tollwutimpfstoff für Menschen gefälscht hatte. Auch wegen einer Impfung gegen Diphterie, Tetanus und Keuchhusten (DTP) geriet die Firma in Verruf. Mehrere der 200.000 damit geimpften Kinder erlitten Lähmungen.
Ein Unternehmen, das jetzt an einer Corona-Impfung arbeitet, war ebenfalls in den Skandal verwickelt. Das Institut für Biotechnologie-Produkte in Wuhan produzierte 400.000 Dosen eines DTP-Impfstoffes, der laut der Arzneimittelbehörde nicht den Anforderungen genügte. Die Regierung verschärfte daraufhin die Kontrollen.
Gegen falsche Krankheit geimpft
Dennoch deckten chinesische Medien im vergangenen Jahr weitere Fälle auf: Unter anderem soll in einem Krankenhaus in Hainan gefälschter Impfstoff verabreicht worden sein. In der Provinz Hebei wurden den Berichten zufolge Kinder gegen die falschen Krankheiten geimpft.
"Das bedeutet nicht, dass China nicht in der Lage ist, eine sichere und effektive Impfung gegen Covid-19 zu produzieren",sagt Yanzhong Huang, Gesundheitsforscher der privaten US-Denkfabrik Council on Foreign Relations. "Das Letzte, was die chinesische Regierung will, ist, einen mangelhaften Impfstoff zu liefern", sagte Huang. Das würde dem internationalen Ansehen Pekings schwer schaden.
Um Vertrauen zu gewinnen, ließen sich ein General und ein leitender Mitarbeiter von Sinopharm schon jetzt eine Spritze verabreichen - noch bevor der Impfstoff überhaupt zugelassen ist.
Nichtsdestotrotz protestieren Eltern gegen eine chinesische Corona-Impfung; sie wollen ihre Kinder lieber mit einem Impfstoff aus dem Ausland immunisieren lassen.
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