Corona-Pandemie: Etwa die Hälfte der infizierten Tiere wurde nicht gemeldet

Eine Frau mit Mundschutzmaske schmust mit einer Katze
Mindestens 52,8 Prozent der SARS-CoV-2-Fälle bei Tieren wurden nicht offiziell dokumentiert. Die Datenlücken haben Folgen.

Zuletzt fiel der Verdacht wieder auf den Marderhund; er könnte Überträger des SARS-CoV-2 auf den Menschen sein: Im März 2023 identifizierten Wissenschaftler DNA-Spuren des pelzigen Räubers in einer frei zugänglichen Gen-Datenbank. Die neu eingestellten, alten Proben stammten vom Huanan Seafood Wholesale Market in Wuhan, der mit dem Corona-Ausbruch vor drei Jahren in Verbindung gebracht wird. 

Damals galt zunächst das Pangolin, das neben Biberratte über Pfau bis Krokodil – lebendig, tot, illegal – auf dem Fischmarkt angeboten wurde, als Zwischenwirt. Dann kam die Schleichkatze ins Spiel. 

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Pangolin und Schleichkatze hin, Marderhund her. Oder passierte es im Labor der chinesischen Provinzhauptstadt? Das neuartige Virus breitete sich jedenfalls rasant über den Globus und in verschiedenen Spezies aus.

Corona-Pandemie: Etwa die Hälfte der infizierten Tiere wurde nicht gemeldet

Marderhunde gerieten zuletzt als Überträger des Virus auf den Menschen in Verdacht.

Vetmed Wien verglich Daten

Wo genau, wie und mit welchen Folgen wollten Wissenschaftler der Vetmeduni Wien und des Complexity Science Hubs Vienna klären. Sie verglichen dafür Fälle, die bei der Weltorganisation für Tiergesundheit WOAH angezeigt wurden, mit Daten, die das weltgrößte Meldesysteme für neu auftretende Krankheiten, ProMED-mail, registrierte, und berücksichtigten einschlägige Publikationen. Sie bereinigten das Material, rechneten hoch und schätzten ab. Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Und offenbaren enorme Datenlücken.

„Mindestens 52,8 Prozent der SARS-CoV-2-Fälle bei Tieren und 65,8 Prozent der Todesfälle zwischen Februar 2020 und August 2022 wurden nicht offiziell gemeldet“, sagt Studien-Co-Autorin Amelie Desvars-Larrive. Die Anzahl an betroffenen Spezies erhöhte sich zwar von 26 in vorangegangen Arbeiten auf 35. Experten gehen aber von weit mehr Arten aus, die für das Coronavirus empfänglich sind. 

So infizierten sich etwa Amur-Tiger, Hamster und Pferd nachweislich mit SARS-CoV-2, gemeldet wurden sie nicht. Genauso wenig schafften es die infizierten Eurasischen Flussotter und Leoparden in die Datenbanken. 

Die Schnelltest-Resultate (gezüchteter) Nerze dagegen wurden großzügig dokumentiert – nicht zuletzt, weil mutierte Virusvarianten von dänischen Pelztieren auf Menschen übergesprungen waren. 

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Auch Haustiere wollten wegen der engen Beziehung zum Menschen gründlich untersucht sein. Im Februar 2020 hatte sich ein Hund in Hongkong mit Covid-19 angesteckt.

Oft lief Übermittlung schief

„Auch die geografische Lücke hat uns überrascht“, erklärt Desvars-Larrive eine weitere Schwachstelle im System. Von ARG für Argentinien bis ZAF für Südafrika pflegten nur 44 Länder Zahlen ein; und das nicht immer mit Erfolg. 

Informationen aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden etwa gingen bei der elektronischen Übermittlung verloren. Ein Brief über ein Nilpferd mit Symptomen kam nie an. Insgesamt beteiligten sich vor allem Länder des globalen Nordens am Austausch über die SARS-CoV-2-Lage – Österreich war nicht dabei

Schwächere Volkswirtschaften sparten eher Ressourcen. Mitunter mangelte es am Willen, das Ausmaß an erkrankten und verstorbenen Tieren offen zu legen.

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„Unsere Ergebnisse sind nur die Spitze des Eisbergs“, resümiert Desvars-Larrive. Die Epidemiologin fürchtet schlimme Folgen: Um eine Pandemie zoonotischen Ursprungs effizient bekämpfen zu können, brauche es zeitnah qualitativ hochwertige und genaue Daten über Fälle bei Mensch und Tier. „Es ist höchste Zeit, die Datenlücken zu schließen.“

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