Bizarre Bilder : "Blutschnee" färbt Antarktis rot

Das durch eine Alge ausgelöste Natur­phäno­men sorgt aktuell für aufsehenerregende Bilder aus der Antarktis.

18,3 Grad Celsius wurden Anfang Februar im Norden der Antarktis gemessen - und damit genauso viel wie in der für ihr sonniges Wetter bekannten kalifornischen Metropole Los Angeles. Mehr als je zuvor seit Beginn der Messungen auf dem Südkontinent. Die Rekordtemperaturen sind Teil einer Hitzewelle, die die Antarktis, wo derzeit Sommer herrscht, in der ersten Februarhälfte fest im Griff hatte. Eine unmittelbare Folge des ungewöhnlich warmen Wetters lässt sich dort nun mit bloßem Augen erkennen.

"Himbeerroter Schnee"

Vor der Westküste der Antarktischen Halbinsel, auf der sogenannten Galíndez-Insel, liegt die Wernadski-Station. Seit einigen Wochen säumt die ukrainische Forschungsstation "himbeerroter Schnee", wie das ukrainische Wissenschaftsministerium vor wenigen Tagen auf Facebook mitteilte.

Grund für das Naturschauspiel ist eine auf Schnee wachsende Alge. Die warmen Temperaturen fördern die Ausbreitung der mikroskopisch kleinen, dennoch auffälligen Algenart Chlamydomonas nivalis.

Diese Algen, die neben grünen Chlorophyll-Pigmenten auch rotes Carotin enthalten, beginnen bereits im Frühjahr zu keimen, wenn der Schnee zu schmelzen beginnt und flüssiges Wasser vorhanden ist. Sie bilden fadenförmige Gebilde, sogenannte Geißeln, aus, die ihnen zur Fortbewegung dienen. So wandern sie die Schneedecke hoch, bis sie genügend Sonnenlicht für die Photosynthese und ihr Wachstum zur Verfügung haben. Mit zunehmender UV-Strahlung beginnen sie rote Sporen zu bilden: Es kommt zur roten Schneealgenblüte – der Schnee färbt sich tiefrot.

Beschleunigt Schneeschmelze

Das Phänomen, das während der Schmelzperiode auftritt, ist als "Blutschnee" bekannt. Die Alge vermehrt sich wegen der durch den fortschreitenden Klimawandel verstärkten Eisschmelze nicht nur stärker. Experten zufolge trägt sie auch zur Schneeschmelze bei, da die rötlich gefärbte Oberfläche mehr Sonnenlicht absorbiert als weißer Schnee, der das Licht stärker reflektiert.

Die Algenart kommt nicht nur in der Antarktis vor. Auch anderorts, wo dauerhaft Winter ist – etwa in der Arktis oder Teilen der Alpen – ist Chlamydomonas nivalis heimisch. An der Universität Innsbruck beschäftigen sich Expertinnen und Experten seit geraumer Zeit mit der Algenart. Birgit Sattler vom Institut für Ökologie untersucht etwa den Einfluss der Schneealgenblüte auf das Abschmelzen der Gletscher. "Auf Grönland wird das Phänomen von Kollegen schon länger erforscht. Es zeigte sich, dass die Algen durch die großflächige Rot-Färbung das Rückstrahlvermögen des Schnees um bis zu 13 Prozent verringern können. In den Alpen sind die Forschungen noch sehr jung", wurde Sattler auf der Homepage der Universität Innsbruck dazu vor einigen Monaten zitiert. "Unsere Untersuchungen am Jamtalferner legen aber nahe, dass der Effekt hier sicher die gleiche Größenordnung erreicht.“"

2019 wurde die Algenart von der Sektion Phykologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft anlässlich des 200-jährigen Jubiläums ihrer Entdeckung zur Alge des Jahres gekürt.

Kommentare