Wie gesund sind Österreichs Kinder tatsächlich?

Wie gesund sind Österreichs Kinder tatsächlich?
Österreich bei "Fairness im Gesundheitsbereich" auf Platz eins.

Es ist ein für viele mit dem Thema Befasste ein ziemlich überraschendes Ergebnis: Geht es um Ungleichheiten zwischen Kindern aus den am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen und Kindern aus der Mitte der Gesellschaft, ist diese Kluft in Österreich geringer als in vielen anderen Industriestaaten. Das ist das Ergebnis eines neuen Berichtes des UN-Kinderhilfswerkes UNICEF zum Thema "Fairness für Kinder". Im internationalen Vergleich von 41 Staaten der Europäischen Union und der OECD erreichte Österreich den fünften Gesamtrang. In der Rubrik "Gesundheit" kam Österreich sogar auf den ersten Platz.

Wie gesund sind Österreichs Kinder tatsächlich?
Für dieses Ranking wurde untersucht, wie groß in dem jeweiligen Land die Unterschiede zwischen jenen Kindern sind, die über die meisten Krankheitssymptome berichten und einem "durchschnittlichen" Kind, dessen Symptomschilderungen dem Durchschnitt aller Kinder entsprechen. Hier klafften die Angaben in Österreich am wenigsten auseinander, der "Gap" – die Kluft – war am geringsten. Schlechter schnitt Österreich im Bereich Bildung ab (siehe Grafik).

Akutversorgung gut

17, 7 Prozent der Kinder aus Österreich berichteten über chronische Gesundheitsbeschwerden, in Norwegen waren es 14,9 Prozent, in Frankreich über 30 und in der Türkei mehr als 50 Prozent.

Wie gesund sind Österreichs Kinder tatsächlich?
"Es ist keine Frage: Bei einem Unfall, einem Asthmaanfall oder etwa einem Blinddarmdurchbruch ist die Versorgung in Österreich für alle Kinder eine sehr gute", betont Kinderarzt Klaus Vavrik, Präsident der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit. Doch für ihn liefert der UNICEF-Bericht "kein vollständiges Bild": "Das Ranking im Bereich Gesundheit beruht auf einer einzigen Angabe – den Unterschieden bei den selbst berichteten Krankheitssymptomen. Aber damit sehe ich nicht, ob das Gesamtniveau der Versorgung niedrig oder hoch ist."

Und hier gebe es gerade für Kinder aus Familien, die sich keine Privatmedizin leisten können, immer noch grobe Benachteiligungen: "Regional sehen wir in der Versorgung mit Therapeuten auf Kassenkosten – etwa von der Ergo- über die Physio- bis zur Psychotherapie – durchaus Verbesserungen im Angebot. Aber ich weiß von Familien, die auf eine Ergotherapie oder Psychotherapie auf Kassen- oder Landeskosten nach wie vor bis zu eineinhalb Jahre warten müssen."

Nachholbedarf

Natürlich sei es auch positiv, dass in Wien und Niederösterreich erste Stellen für niedergelassene Kinderpsychiater mit Kassenvertrag geschaffen wurden. "Noch vor einigen Jahren gab es da gar kein Angebot." Trotzdem sei die Versorgung noch lange nicht ausreichend.

Dass in Österreich die Lebenserwartung überdurchschnittlich hoch sei, liege an der guten technischen Medizin. Aber bei chronischen Krankheiten, Lebensstilproblemen und Entwicklungsstörungen "hat Österreich gerade bei den Kindern die internationale Entwicklung noch nicht mitgemacht" – ein Grund, warum Österreich bei den gesunden Lebensjahren schlecht abschneidet. Deutschland etwa habe alle Therapien für Kinder kostenfrei gestellt: "Die machen das ja auch nicht aus reinem Humanismus. Die wissen, dass sich das auch rechnet."

Bereits im März zeigte eine internationale Studie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation: Es gibt in ganz Europa – und auch in Österreich – eine positive Tendenz beim Gesundheitsverhalten von Jugendlichen. „Aber ein bisschen besser ist nicht gut genug“, sagt Vavrik. „Bei der Kinder- und Jugendgesundheit hat Österreich im EU-Vergleich noch immer einen großen Nachholbedarf.“

So fehle es auch an fundierten Daten zur Erfassung des Gesundheitszustandes von Kindern und Jugendlichen: „Es ist uns unverständlich, dass Daten wie etwa jene aus den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen oder aus den schulärztlichen Untersuchungen nicht flächendeckend erfasst und verwertet werden.“ So fehlen laut Kinderliga unter anderem exakte Daten dafür, wie viele Kinder und Jugendliche an chronischen Erkrankungen leiden. „Arme, gesundheitlich unterversorgte Kinder sind die chronisch Kranken von morgen – hier zu sparen ist eindeutig der falsche Weg.“

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