Wenn der Ohrwurm zwei Mal klingelt...

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Warum sich Ohrwürmer festsetzen und wie man sie wieder los wird.

Ein US-amerikanischer Versuch zum lästigen Phänomen des Ohrwurms lässt aufhorchen: Wird man beim Musikhören unterbrochen, bleiben Lieder länger im Gedächtnis und suchen uns auch immer wieder heim. Dieser Effekt ist eigentlich schon seit 1927 bekannt. Die russische Psychologin Bljuma Wulfowna Seigarnik entdeckte damals an der Universität Berlin, dass man sich an unterbrochene, unerledigte Aufgaben besser erinnert als an erledigte, abgeschlossene Aufgaben. Dieser "Zeigarnik-Effekt" schlägt eben auch beim Musikgenuss durch.

"Genuss" ist auch das entscheidende Stichwort, um Ohrwürmern ihren Schrecken zu nehmen. Die Wiedergänger kann man sich nämlich mehr oder weniger selbst aussuchen: "Hör Musik, die du magst", empfiehlt der US-Psychologe Ira Hyman von der Western Washington University. Menschen, die selten gezielt Musik hörten, seien eher anfällig für die Melodien in der Umgebung wie etwa "fürchterliche Jingles im Fernsehen". Wenn ein Ohrwurm sich schon einmal eingenistet hat, empfehlen die Psychologen Tätigkeiten, die das Hirn anderweitig beschäftigen, ohne zu einfach oder auch zu schwierig zu sein: Am besten funktionierten bei den Versuchspersonen leichte Sudokus.

Unterbrechung

Ira Hyman und Kollegen spielten Studenten Musik von Lady Gaga, Beyoncé und den Beatles vor, berichtet der Spiegel. Anschließend fragten sie, wie gut die Versuchspersonen die Lieder kannten, wie gerne sie sie mochten und wie oft sie diese normalerweise hörten. Dann ließen sie die Studenten fünf Minuten lang Aufgaben lösen. Im Anschluss sollten die Probanden angeben, ob sie dabei imaginär Musik gehört hatten und wenn ja welche. Später wurde noch einmal nachgefragt, ob sich innerhalb der 24 Stunden nach dem Versuch Ohrwürmer bemerkbar gemacht hatten.

Das Ergebnis: Wenn ein Song den Versuchspersonen, gleich nachdem sie ihn gehört hatten, im Ohr blieb, kehrte dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 24 Stunden zurück. Hyman führt das auf den sogenannten Zeigarnik-Effekt zurück. Bringt man eine Sache zu Ende, hakt das Gehirn sie gewissermaßen als erledigt ab. Wird eine Aufgabe dagegen so wie bei den Studenten im Experiment unterbrochen, bleibt die Spannung erhalten, das Thema beschäftigt einen weiterhin. "Wenn der Song im Kopf läuft, ähnelt er einem aktiven Gedanken", folgert Hyman – und es sei unwahrscheinlich, dass man diesen zu Ende bringe. Schließlich kehren bei den meisten Menschen nur kurze Abschnitte von Musikstücken wieder, kaum jemand erinnert sich an vollständige Songs.

Selektive Wahrnehmung

Die Endlosschleife im Ohr ist aber nicht zwangsläufig unangenehm, fanden die Forscher heraus: Man behält sogar viel öfter Songs im Ohr, die man mag, als solche, die einen nerven. Dass Ohrwürmer landläufig als Tortur gelten, erklärt Hyman mit einer verzerrten Wahrnehmung: "Ich glaube, der Mythos des lästigen Ohrwurms beruht darauf, dass es besonders auffällt, wenn das passiert", sagt der Psychologe. Kaum jemand wird etwas dagegen haben, wenn sein Lieblingslied ihn den Tag über begleitet. In Erinnerung bleibt dagegen der nervige Song, der einen wiederholt ärgert, auch wenn das vergleichsweise selten passiert.

Frühere Studien belegten bereits, dass Menschen Lieder, in denen phasenweise Stille eingebaut wird, selbstständig ergänzen. Die Musik geht im Kopf weiter, und zwar vor allem dann, wenn man den Song gut kennt, in dem plötzlich eine Lücke klafft. Das Hirn versucht quasi, das Stück zu Ende zu bringen. Kommerzielle Musikproduzenten machen sich diesen Effekt ganz bewusst zu Nutze: Viele erfolgreiche Titel klingen mit dem Fadeout zwar aus, gehen aber nicht eigentlich zu Ende und spuken dann weiter in den Köpfen der Musikkonsumenten umher.

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