Ein Gerücht, das sich lange hartnäckig hielt, bezog sich auf die Intelligenz. Männer seien schlichtweg besser im logischen Denken. Doch das ist längst widerlegt. „Die Voraussetzungen für das Erlernen von Schach sind bei Mann und Frau gleich“, erklärt der Grazer Neurowissenschafter und Psychologe Roland Grabner, der seit 2004 Studien zu Intelligenz und Schach durchführt. Bei numerischen Fähigkeiten, die den Umgang mit Zahlen beschreiben, gebe es – entgegen der landläufigen Meinung – keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern.
Grabner fand zudem heraus, dass Intelligenz gar keine so große Rolle im Schach spielt. „Man muss also nicht überdurchschnittlich intelligent sein, um gut Schach zu spielen.“ In der Regel seien bessere Spieler zwar schon intelligenter, der Zusammenhang sei aber nicht sehr hoch. Wesentlich relevanter sei die Übung. Je mehr Training, desto besser die Spielleistung. Hinzu kommen Fähigkeiten wie Ausdauer, Kampfgeist und Konzentration über einen langen Zeitraum.
Derzeit führt er eine weitere Studie unter Klubschachspielern durch, um herauszufinden, welche Faktoren für eine erfolgreiche Schachkarriere erforderlich sind (chess-study.uni-graz.at/de).
Warum Frauen im Spitzenschach derart unterrepräsentiert sind, hat einen ganz banalen Grund. Auf Basis von Spielerdaten des Deutschen Schachbunds fanden Forscher heraus, dass es rein auf die Statistik zurückzuführen ist. Eine größere Gruppe kann mehr extreme Leistungen hervorbringen als eine kleine. Heißt: Da viel mehr Männer als Frauen Schach spielen, sind auch mehr von ihnen erfolgreich. „In Österreich beträgt der Frauenanteil im Profischach nur acht Prozent. International sieht es kaum besser aus. Nur in Ländern wie Georgien, China und Russland, wo Schach auch bei Frauen eine lange Tradition hat und mehr gefördert wird, ist der Frauenanteil höher“, sagt Schachspielerin Veronika Exler.
Die Frage lautet also nicht, warum Frauen im Schach schlechter sind, sondern warum so wenige von ihnen spielen. Dagmar Jenner, Obfrau des Wiener Frauenschachklubs „Frau Schach“ sieht einen der Gründe in der Geschichte. Schach war in Österreich lange Zeit ein Kaffeehaussport. Und da sich Frauen erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Kaffeehäusern aufhalten durften, waren sie auch vom Schach ausgeschlossen. Hinzu komme, dass sich Frauen in der männerdominierten Welt des Schachs nicht so wohlfühlen würden. Sie selbst spiele auch in einem gemischten Klub und habe es nicht nur einmal erlebt, dass männliche Kollegen ihre Überlegenheit betonten. „In männerdominierten Klubs wollen Männer Frauen die Welt erklären.“
Deshalb brauche es auch „Frau Schach“. Hier herrsche eine freundschaftliche Atmosphäre, niemand werde bewertet. Der Zutritt nur für Frauen werde streng kontrolliert. „Es gab immer wieder weiblich dominierte Schachtreffen, bei denen auch Männer mitgespielt haben. Doch beim nächsten Mal waren es schon fünf, und schließlich haben sie es komplett überrannt“, sagt Jenner. Deshalb gilt: „Selbst wenn Weltmeister Magnus Carlsen bei uns vorbeischauen würde, dürfte er nicht mitspielen.“
In Wien jedenfalls könnte der starke Männerüberhang im Schach auch an der Wirtshauskultur liegen. So spielen viele Klubs in Hinterzimmern von Gasthäusern, und das wirkt für junge Frauen nicht sehr einladend.
Veronika Exler führt einen weiteren Aspekt ins Treffen: die mangelnden Förderungen. „In Österreich kann man als Frau selbst im Spitzenschach nicht davon leben“, erklärt die 30-Jährige. Im Gegensatz zu Ländern wie China, wo Spielerinnen des Nationalteams ein Gehalt beziehen, müssen Frauen hierzulande nebenbei arbeiten. Sie selbst ist als Mentaltrainerin tätig, studiert nebenbei noch Biologie. Und das, obwohl Exler in der Frauennationalmannschaft spielt und zweimal Frauenstaatsmeisterin wurde. So bleibe Schach bei vielen eben nur ein Hobby.
Und dann gibt es noch einen Faktor, der laut Neurowissenschafter Grabner in Hinblick auf die Spielstärke relevant ist: Nämlich das aus einem anderen Spiel bekannte Pokerface. „Schachspieler, die ihre Emotionen verbergen können, spielen besser.“ Es gehe aber auch um Durchhaltevermögen, nach Rückschlägen trotzdem weiterzumachen.
Um den Männerüberhang also auszugleichen, braucht es mehr Förderungen, weibliche Schachklubs und intensive Trainings. Das hat auch der Österreichische Schachbund erkannt und rückt nun die Frauenförderung in den Fokus. Und letztlich braucht es Serien wie „The Queen’s Gambit“. Denn weibliche Vorbilder geben dem Nachwuchs Mut, ist sich Spielerin Veronika Exler sicher. Dann wird es auch nicht mehr lange dauern, bis endlich eine Frau Weltmeisterin wird.
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