Polaroid: 70 Jahre Sofortbildkamera

1947 packte der Physiker Edwin Herbert Land sein Labor in einen einzigen Fotoapparat.

Ihre Erwartungen waren hoch. Am 21. Februar 1947 drängten sich die renommierten Wissenschaftler der "Optical Society of America" im Vortragssaal des Hotel Pennsylvania in New York. Der Geschäftsmann und Physiker Edwin Herbert Land sollte die Optik- und Photonik-Experten an diesem Abend noch verblüffen.

Der 38-Jährige verdiente sein Geld mit Polarisationsfiltern für Sonnenbrillen und Fenster. Dafür ließ er einst sein Chemie-Studium in Harvard sausen. In New York nutzte er das Labor der Columbia University und die städtische Bibliothek, um an den Filtern zu tüfteln. Wenn etwas haperte, blieb er hartnäckig – werkte, ohne seine Arbeit durch Essen oder Kleiderwechsel zu unterbrechen.

Die Idee, Fotos direkt in einer Kamera zu entwickeln, gab ihm angeblich seine dreijährige Tochter. Als er sie 1943 fotografierte, fragte sie, warum sie das Bild nicht sofort sehen könne. Das gab Land zu denken. Nach vier Jahren Arbeit war es an jenem Februar-Tag so weit: Land überraschte alle, indem er ein Foto von sich machte und ihnen wenige Sekunden nach dem Schnappschuss ein fertiges Papierbild zeigte.

Polaroid: 70 Jahre Sofortbildkamera
BILD ZU OTS024 VON HEUTE - 50. Jubiläum der Polaroid Sofortfilm-Technik - UBZ.: Dr. Edwin H. Land präsentiert 1947 in Boston erstmals ein Sofortbild.
Völlig neu und revolutionär waren sowohl Kamera als auch Film, erklärt Kunsthistoriker Dennis Jelonnek von der Freien Universität Berlin. "Sämtliche Chemikalien, die es zur Entwicklung und Formung des Bildes braucht, sind in diesem Film enthalten." Land hatte ein Schnellentwicklungsverfahren erfunden, welches das belichtete Negativ nach dem Fotografieren auf ein Positiv übertrug. Zog man das Polaroidbild aus der Kamera, lief der Trennbildfilm zwischen zwei Walzen durch, die eine Entwicklerflüssigkeit zwischen Positiv und Negativ verteilten. Nach wenigen Sekunden ließ sich das fertige Positiv abziehen und bei Licht betrachten. Während bisher also immer ein Labor mit der Entwicklung beauftragt werden musste, ging hier alles "von selbst". Das Besondere: "Die kleinen Papiertaschen mit Entwicklerflüssigkeit mussten von der Walze so präzise zum Zerplatzen gebracht werden, dass die Flüssigkeit sich immer exakt zwischen Positiv und Negativ verteilte."

Die ersten Exemplare der "Land Camera Model 95" kamen 1948 auf den Markt. Es folgten verschiedene Polaroid-Kameramodelle, unterschiedliche Systeme und Filme. Auf sepiafarbene folgten klassische Schwarz-Weiß-Filme, ab 1963 kamen die ersten farbigen. Den blassen Farbstich lieben heute noch viele, die einst damit fotografierten. Ebenso jene, die ihn heute als Filter für ihre Fotos auf Instagram oder am Smartphone nutzen. Polaroid selbst hat die von ihnen geschaffene Ästhetik nicht für die eigenen Zwecke zu nutzen gewusst, erklärt Jelonnek. "Sie haben nie mit diesem Farbstich geworben."

Apropos Faszination. Der Schriftsteller Arthur C. Clarke (1917–2008) sagte: "Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden." Magisch fanden es vermutlich auch die Forscher im Hotel Pennsylvania, als ihnen Edwin H. Land das erste Sofortbild zeigte. Zwar gab es in den USA seit dem späten 19. Jahrhundert Fotoautomaten, das Bildformat war aber winzig. Lands Foto am Nachmittag des 21. Februar 1947 war hingegen ungewöhnlich groß – 20 auf 30 Zentimeter. "Ein solches Bild innerhalb von einer Minute zu erhalten, muss faszinierend gewirkt haben."

Entwertet

Ein Bild, das in wenigen Sekunden auftaucht, beeindruckt heute nicht mehr. Es kann zigfach kopiert und online verschickt werden. Die Digitalisierung hat das Sofortbild entwertet, gleichzeitig aber wieder aufgewertet. Denn als Polaroid aus dem Sofortbildgeschäft ausstieg, schrien viele auf. Das haptische Erlebnis fehlte ihnen. Jelonnek: "Es gibt kein Verfahren, bei dem schneller eine fertige materielle Fotografie vorliegt, die angefasst werden kann. Da war Polaroid Vorreiter." Den Charme des Alten liefern heute andere, berichtet der Kenner: Instax-Filme von Fuji oder die neuentwickelten Filme von Impossible Project, die in Polaroid-Kameras passen.

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