Was antiker Müll über den Alltag verrät

48.000 Stück antiker Scherben lagern in Wien.
Was Menschen vor Tausenden Jahren wegwarfen, verrät, wie sie gelebt haben.

Restmüll oder Küchenabfälle werden bei Bauern oft als Dünger verwendet – das war auch schon vor Tausenden Jahren so. Nicht nur in Europa, auch im Nahen Osten.

Was antiker Müll über den Alltag verrät
In Jordanien untersuchten Archäologen, Geographen und Islamwissenschaftler um Günther Schörner Felder im Umland von drei Siedlungen (siehe Karte). Und fanden nicht nur Plastiksackerln, sondern viele antike Scherben, berichtet Schörner, Vorstand des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien. Zirka 48.000 Fundstücke lagern derzeit im Keller seines Instituts. Er geht davon aus, dass damit die Felder gedüngt wurden. Denn die Menschen aus den nahe gelegenen Städten brachten ihre Abfälle auf die Felder – und da waren auch zerbrochene Scherben dabei.

Vieles davon stammt aus der spätrömischen bis frühislamischen Zeit. "Ein Zeichen, dass in dieser Epoche besonders intensiv Landwirtschaft betrieben wurde", stellt der Archäologe fest. Was sonst noch über die Landnutzung der Menschen in Jordanien bekannt ist? Das wollen Günther Schörner und sein Team noch herausfinden. Bodenwissenschaftler sollen etwa klären, ob es einen Zusammenhang zwischen der Qualität des Bodens und der Fundmenge an Scherben gibt. Schörner vermutet, dass schlechte Böden mittels Düngung fruchtbarerer gemacht werden sollten. Er schließt aber auch nicht aus, dass Klimakatastrophen oder Klimaveränderungen die Landwirtschaft beeinflussten.

Weizen & Gerste

Was sie mit Sicherheit schon wissen: "Es wurden verschiedene Getreidesorten angebaut. Bei genügend Niederschlag war es Weizen, ansonsten Gerste." Schriftquellen, zeitgenössische Berichte und Relikte von Pressanlagen zeugen zudem von Wein- und Olivenanbau.

Was antiker Müll über den Alltag verrät
Universität Wien, Geschichte über antiken "Müll", honorarfrei
Von den Scherben erhoffen sich die Wissenschaftler, mehr über die Bevölkerung herauszufinden. Die Doktorandin und Projektmitarbeiterin Nora-Miriam Voss hat ermittelt, dass sie von allen sozialen Schichten stammen – sowohl reiche als auch arme Menschen brachten ihren Abfall auf die Felder. Was davon übrig blieb, waren Scherben. Sie lagen in all den Jahren auf der Oberfläche verstreut, die Forscher konnten sie teilweise einfach aufklauben. Acht bis zehn Leute gingen die Felder ab und sammelten alles, was ihnen in die Hände kam. Sie nach Österreich zu bekommen, war nicht schwer, berichtet Schörner. "Bei kleinen Funden ist das kein Problem. Wir mussten die Stücke fotografieren und angeben, wie viele es sind, dann erteilte uns die jordanische Antikenbehörde die Genehmigung."

Jordanien sei als Forschungsgebiet glücklicherweise noch stabil, erklärt der Archäologe. Der Krieg im benachbarten Syrien war dennoch spür- und sichtbar, vor allem durch die vielen Flüchtlingscamps: "Aber es gab nie eine direkte oder indirekte Gefährdung. Vor allem, weil wir mit der lokalen Bevölkerung vernetzt waren. Es sind relativ kleine Orte, jeder kennt jeden. Wir waren bekannt und jeder wusste, was wir da tun." Und vielleicht könnte das Forschungsprojekt dem Land zugute kommen. Einige Wissenschaftler, die noch vor Ort sind, versuchen, die effizienten, antiken Bewässerungsanlagen zu reaktivieren – "damit ist ein viel ökonomischerer Umgang mit Wasser möglich".

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