Trumps Krieg gegen die Wissenschaft

Vor einem Jahr waren es noch drei Minuten
Forscher in den USA heulen und rüsten zum Guerillakampf gegen den neuen Präsidenten.

Das soll ihm mal einer nachmachen: 10 Tage im Amt und schon sind wir dem Weltuntergang so nahe gerückt wie seit 64 Jahren nicht mehr.

1953 stand die "Doomsday Clock" (sie symbolisiert, wie nahe die Menschheit der Zerstörung des Planeten gekommen ist) auf zwei vor zwölf. Damals hatte die Sowjetunion gerade die erste Wasserstoffbombe gezündet und das Wettrüsten ausgelöst. Dieser Tage stellten renommierte Wissenschaftler die Weltuntergangsuhr, die zwischenzeitig weniger bedrohlich getickt hatte, 30 Sekunden vor.

2 vor 12

Es sei – Donald Trump sei Dank – zweieinhalb Minuten vor zwölf, schreiben unter anderem 15 Nobelpreisträger im Fachmagazin Bulletin of the Atomic Scientists. Als Gründe sehen sie etwa Trumps Position zum Klimawandel und eine zunehmende Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Trumps Krieg gegen die Wissenschaft
APA13977166 - 02082013 - RAASDORF - ÖSTERREICH: Pflanzen auf einem dürren Acker im Marchfeld in Niederösterreich am Freitag, 2. August 2013. Die anhaltende Trockenheit macht der Landwirtschaft in Österreich stark zu schaffen. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Fest steht: Die Klima-Wissenschaftler in den USA sind in heller Panik, wurde doch ausgerechnet Myron Ebell, ein entschiedener Leugner des Klimawandels, mit der Neuausrichtung der Umweltbehörde EPA beauftragt – "Abrissbirne" für Obamas Klimapolitik nannte ihnNaturepostwendend.

"Trumps Krieg gegen die Wissenschaft" (© Lawrence M. Krauss, Vorsitzender des Bundes Amerikanischer Wissenschaftler) geht noch viel weiter. Forscher fürchten, er könnte unliebsame Forschungsresultate verschwinden lassen. Schon im Dezember haben sie daher begonnen, Daten auf unabhängigen Servern in Sicherheit zu bringen. An vielen US-Universitäten werden sogenannte "Data Rescue Events" organisiert: Professoren, Studenten, Programmierer, Bibliothekare und Archivare sitzen tage- und nächtelang in Hörsälen vor ihren Rechnern und rufen Tausende von Regierungsseiten auf.

Trumps Krieg gegen die Wissenschaft
REUTERS/Jonathan Ernst, APA/AFP/NICHOLAS KAMM

Dass ihre Sorge berechtigt sein könnte, zeigt das Beispiel Kanada. Denn unter Stephen Harper – Premierminister bis 2015 – sind ganze Datenbanken verschwunden. Wie Trump leugnete Harper den Klimawandel und stand der Öl- und Gasindustrie sehr nahe. Verschwunden seien nicht nur Daten, sondern auch Gedrucktes: In Kanada wurden ganze wissenschaftliche Bibliotheken des Ministeriums für Fischfang und Ozeane einfach auf den Müll gekippt. In den USA wurde jedenfalls die Homepage des Weißen Hauses bereits von Klimawandel-Fakten gereinigt – an Tag 1 von Trump.

Schock in der Seuchenschutzbehörde

Auch in der US-Seuchenschutzbehörde CDC in Atlanta ist der Schock greifbar, Mitarbeiter heulten auf den Fluren, müssen sie sich doch auf einen Präsidenten einstellen, der mehrmals behauptet hat, Impfstoffe seien gefährlich. Außerdem forderte er während des Ebola-Ausbruchs in Westafrika, infizierte US-Helfer nicht wieder ins Land zu lassen.

Würde Trump tief in die Arbeit der Behörde eingreifen, könnten die Auswirkungen weit über die USA hinausreichen. Die CDC gibt jährlich 2,6 Milliarden Dollar für globale Seuchenkontrolle aus und beschäftigt 2000 Mitarbeiter in 60 Ländern.

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HIV Virus

Warten und Beten

Ebenso unklar ist, wie es mit dem Kampf gegen Aids weitergeht. Als Trumps Vize Mike Pence Gouverneur in Indiana war, begegnete er steigenden HIV-Infektionen mit Warten und Beten. Diese Einstellung könnte ebenfalls globale Konsequenzen haben: Über das Programm Pepfar finanzieren die USA derzeit die Hälfte aller HIV-Behandlungen dieser Welt.

Alternative Social-Media-Kanäle

Die Wissenschaftler wollen jedenfalls nicht länger warten. In den vergangenen Tagen haben viele alternative Social-Media-Kanäle gegründet, um Forschungsergebnisse, Fakten und Zahlen wie bisher direkt an die Öffentlichkeit weitergeben zu können. Auf Twitter ("RogueNASA", "AltNatParkSer" oder "ActualEPAFacts") werden zahlreiche kritische Berichte mit Wissenschaftsbezug über die Trump-Regierung gepostet. Das inoffizielle Profil der Nationalparks, die die Trump-Administration dieser Tage per Weisung mundtot machen wollte, zählt mittlerweile drei Mal so viele Follower wie sein "echtes" Gegenstück.

Der Guerillakampf der Wissenschaftler (© Die Zeit) könnte schon bald auf einen Höhepunkt zusteuern – demnächst wollen sie in einem "March for Science" gegen die Wissenschaftsagenda des neuen Präsidenten demonstrieren. Das Datum steht noch nicht fest, die dafür eingerichtete Facebook-Seite hat aber mittlerweile mehr als 130.000 Interessenten.

Krebsforschung Das Großprojekt „Cancer Moonshot“ zur Entwicklung einer individualisierten Bekämpfung von Krebs soll nicht weiter finanziert werden.

Stammzellforschung Ist aus ethischen Gründen umstritten. Daher wird erwartet, dass es unter einem republikanisch dominierten Kongress bei der Forschung an Embryonen zu Einschränkungen kommen wird. Ähnliches gilt für die Stammzellforschung, für die fetales Gewebe genutzt wird.

Raumfahrt Sie gehört zu den Feldern, die Trump für wichtig hält. Daher dürfte das Weltraumteleskop „James Webb“, der Hubble-Nachfolger, wie geplant im Oktober 2018 starten. Viele hoffen auch, dass Trump an Bush anknüpft und sagt: Lasst uns zum Mars fliegen!

Wettersatelliten NASA und NOAA (Umwelt- und Klimabehörde) sammeln gemeinsam Daten, die weltweit für die Klimaforschung genutzt werden; aber auch für Schifffahrt, Landwirtschaft, Wettervorhersage und Katastrophenwarnung.

Mit Blick auf die NASA-Satelliten hat Trumps Team angekündigt, Gelder „für politisch korrektes Umweltmonitoring“ kürzen zu wollen. Was immer das heißen mag.

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