Demnach treiben tragisch erlebte Todesfälle auch biologische Alterungsprozesse im Körper voran. Unter dem biologischen Alter versteht man die kumulative, also die sich ansammelnde, Schädigung von Gewebe, Organen und Zellen im Körper. Im Gegensatz dazu ist das chronologische Alter, auch kalendarisches Alter genannt, eine reine Zeitangabe: Die Anzahl der Jahre und Tage ab der Geburt.
In der Forschung misst man erstere Art der Alterung mithilfe sogenannter epigenetischer Uhren. Sie ermöglichen es, auf Basis von molekularbiologischen Veränderungen an der DNA unserer Körperzellen, das biologische Alter einer Person zu messen.
Wie wirkt sich der Verlust eines geliebten Menschen auf die DNA aus?
"Nur wenige Studien haben untersucht, wie sich der Verlust eines geliebten Menschen in verschiedenen Lebensabschnitten auf diese DNA-Marker auswirkt", wird Allison Aiello, Epidemiologin an der Columbia University und Hauptautorin der Studie, in einer Aussendung zitiert. Man habe nun zeigen können, dass emotionale Verlusterfahrungen – unabhängig davon, ob sie in der Kindheit oder im Erwachsenenalter passieren – zu einer "schnelleren biologischen Alterung" führen.
Demnach wurden Hinweise gefunden, dass sich die Auswirkungen von Todesfällen auf das biologische Alter schon vor dem Eintritt ins mittlere Erwachsenenalter (35 bis 65 Jahre) bemerkbar machen können. Derartige Effekte könnten auch gesundheitliche Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen bedingen und erklären, heißt es.
Befragungen und Blutproben geben Einblicke
Für die Analyse wertete man Daten der "National Longitudinal Study of Adolescent to Adult Health" aus. Sie verfolgte Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab Mitte der Neunziger von ihren Teenagerjahren bis ins Erwachsenenalter.
Für die Messungen führte man Interviews durch und nahm Blutproben für DNA-Tests ab. Nahezu 40 Prozent der Teilnehmenden erlebten mindestens einen Verlust im Erwachsenenalter zwischen 33 und 43 Jahren. Der Verlust eines Elternteils war im Erwachsenenalter häufiger als in der Kindheit und Jugend (27 Prozent gegenüber 6 Prozent). Schwarze und hispanoamerikanische Personen waren im Schnitt häufiger mit schicksalhaften Todesfällen konfrontiert als weiße.
Menschen, die zwei oder mehr Verlusterfahrungen wegstecken mussten, wiesen ein höheres biologisches Alter auf. Im Vergleich zu Menschen mit nur einer oder gar keiner Verlustgeschichte.
"Der Zusammenhang zwischen dem Verlust eines geliebten Menschen und Gesundheitsproblemen im Laufe des Lebens ist gut belegt", so Aiello. "Aber einige Lebensabschnitte sind möglicherweise anfälliger für die damit verbundenen Gesundheitsrisiken, und die Häufung von Verlusten scheint ein wichtiger Faktor zu sein."
So könne etwa der Tod eines Elternteils oder eines Geschwisterchens in jungen Jahren sehr traumatisch sein und mit psychischen Problemen, kognitiven Störungen, einem höheren Risiko für Herzkrankheiten und einer höheren Wahrscheinlichkeit, früh zu sterben, verknüpft sein. Der Verlust eines nahen Familienmitglieds berge in jedem Alter gesundheitliche Risiken, wiederholte Verluste könnten das Risiko von Herzkrankheiten oder Demenz erhöhen – Auswirkungen, die oft erst viele Jahre nach dem auslösenden Ereignis zutage treten.
Den treibenden Prozessen hinter diesen Effekten sei man noch nicht auf die Schliche gekommen, führt Aiello aus. "Aber die biologische Alterung könnte ein Mechanismus sein", sagt die Expertin, die auch für eine umfassende psychosoziale Betreuung von Menschen nach Verlusterfahrungen plädiert.
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