Ehe-Aus erhöht bei Frauen Risiko für Herzinfarkt

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Nach einer Scheidung steigt das Risiko für einen Herzinfarkt bei Frauen bis zu 77 Prozent.

Scheidungen erhöhen das Risiko für einen Herzinfarkt – und zwar bei Frauen deutlich stärker als bei Männern. Das ist das Ergebnis einer großen Studie der US-amerikanischen Duke University in North Carolina. Dass eine Scheidung Auswirkungen auf die Gesundheit hat, ist bereits bekannt. Erstmals wurden jedoch Langzeiteffekte einer Trennung mit Daten von rund 16.000 Erwachsenen zwischen 45 und 80 Jahren untersucht.

Die Studienteilnehmer wurden zwischen 1992 und 2010 im Abstand von zwei Jahren zu ihrem Beziehungsstatus und ihrer Gesundheit befragt. Etwa ein Drittel wurde in diesem Zeitraum mindestens einmal geschieden. Frauen hatten nach einer Scheidung ein um 24 Prozent erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt – im Vergleich zu jenen, die durchgängig mit demselben Partner verheiratet waren. Bei mehreren Scheidungen stieg ihr Infarktrisiko sogar auf 77 Prozent an. Das sei laut den Studienautoren vergleichbar mit einem erhöhten Infarktrisiko durch Bluthochdruck oder Diabetes.

Psychischer Stress

Ursache dafür sei der psychische Stress, den eine Scheidung auslöst. "Es kommt zu einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen und Änderungen der Botenstoffe im Gehirn. Hält dieser Zustand länger an, kann das zu Erschöpfung führen und in weiterer Folge die Herzgesundheit beeinflussen", sagt Univ.-Prof. Jeanette Strametz-Juranek, Kardiologin am Rehazentrum Bad Tatzmannsdorf.

Chronischer Stress kann das Immunsystem schwächen, Entzündungen fördern und Depression begünstigen. Thematisiert wird das ungern. "Stress wird oft als Schwäche gedeutet – viele tun sich schwer, darüber zu sprechen. Die mentale Gesundheit ist aber sehr wichtig für die Herzgesundheit", meint Strametz-Juranek.

Bei Frauen löse eine Scheidung mehr Stress aus als bei Männern. Strametz-Juranek: "Studien zeigen, dass bei Männern eher der Verlust des Jobs, von Macht oder Anerkennung zu Stress führt, während es bei Frauen eher Beziehungsprobleme oder Trennungen sind."

Das zeigt auch die aktuelle Studie: Männer scheinen eine Trennung in Bezug auf ihre Herzgesundheit leichter wegzustecken. Bei ihnen erhöhte eine Scheidung das Herzinfarktrisiko um moderate zehn Prozent, bei mehreren Trennungen betrug der Anstieg 30 Prozent. Eine neuerliche Heirat senkte das durch die Scheidung erhöhte Herzrisiko bei Frauen nur geringfügig. Wiederverheiratete Männer fielen hingegen wieder auf den Normalwert zurück. Sie verkraften es offenbar leichter, wechselnde Ehepartner zu haben.

Größerer Leidensdruck

Auch die Wiener Rechtsanwältin Andrea Wukovits, spezialisiert auf Ehe- und Familienrecht, beobachtet einen stärkeren Leidensdruck bei ihren Klientinnen. "Frauen nehmen sich eine Scheidung meist mehr zu Herzen. Die Tiefe der Umwälzung ist größer." Das habe vor allem mit gesellschaftlichen Rollenbildern zu tun: Frauen fühlen sich für den Aufbau der Familie und die Beziehung verantwortlich. "Leider definieren sich Männer nicht so stark über die Familie wie Frauen", sagt Wukovits.

Bei den Forderungen denken Frauen nicht primär an sich selbst, berichtet die Scheidungsanwältin. "Der erste Satz der Frau lautet in der Regel: ‚Ich will ihn nicht ausnehmen.‘ Sie wollen in erster Linie, dass es der Familie gut geht. Das ist umgekehrt nicht so."

Eine kleine Minderheit der Frauen würde die Scheidung ein Leben lang nicht überwinden. "Die meisten können diesen dramatischen Einschnitt aber verkraften, wenn sie dabei professionell begleitet werden."

Barbara Stekl, Lebens- und Sozialberaterin sowie Juristin bei der Beratungsstelle "Frauen beraten Frauen", bestätigt das: "Frauen fühlen sich schuldig, wenn sie sich selbst aus der Beziehung lösen wollen." Wie sie eine Scheidung bzw. Trennung erleben, hänge sehr von inneren Mustern ab. Also wie man, im Kontext der eigenen Ursprungsfamilien-Geschichte, innerlich tickt. Jemand, der einer Scheidungsfamilie entstammt, könne ein erneutes Scheitern als "doppelt schmerzhaft" empfinden. Speziell schwierig wird es, wenn Gewalt ins Spiel kommt. Stekl erwähnt psychische Gewalt – sie ist häufig und passiert meist in Form materieller Machtspiele: "Das macht Frauen große Angst und setzt sie unter Druck."

Dr. Bettina Zehetner ist psychosoziale Beraterin bei „Frauen beraten Frauen“. Im Gespräch mit dem KURIER erzählt sie von ihren Erfahrungen.

Ehe-Aus erhöht bei Frauen Risiko für Herzinfarkt
Bettina Zehetner
KURIER: Empfinden Frauen eine Trennung anders als Männer?
Bettina Zehetner:Ich sehe immer wieder, dass sich Frauen besonders für das Gelingen und Scheitern einer Beziehung verantwortlich fühlen. Sie werden so sozialisiert und schon als Mädchen belohnt, wenn sie sich für die Bedürfnisse anderer interessieren. Während Burschen eher Richtung Autonomie getrimmt werden und sich selbst als unabhängig von anderen denken dürfen.

Wie erleben Sie Frauen in der Beratung?
Mir fällt besonders auf, dass sich Frauen stark für das Leben ihres Mannes verantwortlich fühlen und zu wenig für das eigene stark machen. Sie sind außerdem eher bereit, durchzuhalten – etwa für ihre Kinder. Auch da stehen sie weniger für sich selbst ein. Das geht auf Dauer nicht gut.

Was unterstützt und hilft?
Wichtig ist, gemeinsam Perspektiven zu erarbeiten, Denn oft ist das vertraute Leiden akzeptabler als die unbekannte Zukunft oder Freiheit. Ich animiere Frauen etwa, sich im Denken auszuprobieren, indem sie sich vorstellen, wie ein Leben „danach“ aussehen könnte. Um dabei konkrete, befreiende Bilder zu schaffen. Dann fällt es meist leichter, auszusteigen als in krank machenden Beziehungen zu verharren.

Eine Studie, in der steht, dass eine Scheidung ungesund ist – und das speziell für Frauen –, hat schnell einmal den Hautgout des zwanghaft Katholischen. Motto: Haltet durch, bis dass der Tod euch scheidet.

Ehe-Aus erhöht bei Frauen Risiko für Herzinfarkt
Bitte nicht! Man muss kein doppelter Doktor sein, um zu erkennen, was gesünder beziehungsweise ungesünder ist: das Ausharren in einer brachliegenden Ehe, um irgendwelchen irrlichternden „Heile-Welt-Idealen“ zu entsprechen, oder die harte Bruchlandung nach einem polternden Langstreckenflug, der anfangs aussah wie der Aufbruch ins Paradies.

Speziell Frauen empfinden dieses Scheitern als ihr Scheitern und übernehmen für den vermeintlichen Super-GAU der Liebe die Verantwortung. Wo sie doch einst überzeugt waren, dass sich der Partner für sie ganz fix ändern würde und die Non-Stop-Harmonie hält.

Etwas stirbt

Dazu gesellt sich ein Teufel namens „Perfektionswahn“: Wenn ich noch besser bin, wird alles gut. Trennung wird dann als persönlicher Misserfolg empfunden. Man hat es nicht geschafft – schön zu sein, toll zu sein, dem Ideal zu entsprechen oder vorhandenen Kindern ein stabiles Zuhause zu geben. Dazu kommt in vielen Fällen die Angst vor dem ökonomischen oder sozialen Abstieg. Für alle Beteiligten gilt: Ein Lebenskonzept stirbt. Das schmerzt selbst dann, wenn der Leidensdruck in einer Beziehung bereits sehr groß geworden ist. Es wundert also nicht, dass dem endgültigen Entschluss, sich scheiden zu lassen, ein langer, meist schmerzhafter Denkprozess rund um das Thema „Bleiben oder gehen?“ vorangeht.

Dennoch scheint offensichtlich: Ein harter Schnitt ist garantiert gesünder als Beziehungsstillstand oder – schlimmer noch – Beziehungschaos mit Hass und Gewalt. Damit dieses lebensrettende „Gehen“ jedoch gelingen kann, ist es wichtig, Menschen in diesem (Sterbe-)Prozess professionell zu begleiten. Damit beide Partner, frei von Selbstvorwürfen, in ihr zweites Leben aufbrechen können.

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