Starkes Herz, starker Mensch

Wie Ihre Pumpe lange fit bleibt: Die Zahl der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Leiden geht zurück. Doch dieser Trend könnte sich umkehren.

Sie sind nach wie vor der „Killer Nummer eins“ in Österreich: Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders im höheren Erwachsenenalter sind sie – mit Abstand – die häufigste Todesursache: Laut Statistik Austria verstarben 2011 insgesamt 32.374 Personen (42,3 % aller Todesfälle) an Herz-Kreislauf-Krankheiten. Zum Vergleich: Krebssterbefälle gab es 19.992 ( 26,1 % ).

Auf den ersten Blick ist der Trend der vergangenen Jahre erfreulich: Die Zahl der jährlichen Herz-Todesfälle ist rückläufig – vor allem durch regionale Netzwerke von kardiologischen Abteilungen, die rund um die Uhr die Aufdehnung von verschlossenen Herzkranzgefäßen mit Kathetern ermöglichen, sagt die Kardiologin Univ.-Prof. Irene Lang von der MedUni Wien und Sprecherin der Kardiologischen Gesellschaft.

Alarmierender Trend

Doch bei derzeit in Österreich stattfindenden Kongressen zum Thema Herz warnen Experten vor Entwicklungen, die dem positiven Trend entgegenlaufen: Bei Frauen und bei jüngeren Menschen generell nimmt die Herzinfarktrate deutlich zu, sagte etwa Univ.-Prof. Otmar Pachinger von der Kardiologie der Uni-Klinik Innsbruck auf Österreichs größtem Kardiologenkongress in der Tiroler Landeshauptstadt. Er sieht als Ursachen die steigende Zahl von Übergewichtigen, den zunehmenden Anteil von Raucherinnen und die starke Belastung von Frauen durch Beruf und Familie.

Und auch Kardiologe Jochen Schuler vom Institut für Allgemeinmedizin der „Paracelsus Medizinische Privatuniversität“ in Salzburg, einer der Referenten beim größten Apothekerkongress Österreichs ab heute in Saalfelden, Salzburg, sagt: „In den Lehrbüchern steht, dass Frauen zehn Jahre nach Einsetzen des Wechsels Infarkte bekommen. Das gilt heute nicht mehr. Wir sehen bereits 40-Jährige mit Infarkten – und das sind dann fast immer Raucherinnen.“

Dass Herzinfarkte immer mehr Jüngere betreffen, sei auch eine Folge des „tödlichen Quartetts“ von bauchbetontem Übergewicht, Bluthochdruck, einer Störung des Fettstoffwechsels (u. a. erhöhte Konzentration der Blutfette) und schließlich eine zunehmende Insulinunempfindlichkeit, die zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel führt.

Frauen unter 50 haben – laut jüngstem Frauengesundheitsbericht – ein doppelt so hohes Risiko wie Männer, an einem Herzinfarkt zu sterben. „Denn sie haben viel seltener die typischen Infarktsymptome (z. B. massiver Brustschmerz) und rufen deutlich später die Rettung als Männer“, sagt Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gender-Medizin an der MedUni Wien: „Außerdem wird etwa das Risiko für einen Herzinfarkt bei Frauen häufig nicht so ernst genommen – Beschwerden werden öfter auf die Psyche abgeschoben und sie erhalten Medikamente oft nicht in der notwendigen Dosis.“

Rauchstopp ganz oben

Dabei könnten viele Herzinfarkte schon mit wenigen Maßnahmen verhindert werden: Ein Rauchstopp steht für Jochen Schuler dabei an oberster Stelle: „Eine 35-jährige Frau kann damit ihr Leben um fast zehn Jahre verlängern.“

Auf Platz zwei der schützenden Maßnahmen kommt für ihn die körperliche Aktivität – und gleich danach die Ernährung. – „Aus meiner Sicht wird der Risikofaktor Stress unterschätzt“, sagt Kardiologin Lang. „Das Leben in der westlichen Welt treibt unseren Blutdruck hinauf.“

„Wenn ich einem Patienten nach einem Infarkt sage, er soll seinen Stress abbauen, ist das völlig sinnlos, wenn er z. B. Inhaber von zwei Firmen ist. Aber er kann versuchen, im Sinne einer Ordnungstherapie, wie sie schon Pfarrer Kneipp propagiert hat, herauszufinden, was für ihn in seinem Leben wirklich wichtig ist. Dann kann man auch leichter in seinem Leben etwas verändern.“

411 Millionen Euro – fast 20 Prozent der gesamten Medikamentenkosten – geben die Krankenversicherungen jährlich für Herz-Kreislauf-Präparate aus. „Bei jedem fünften bis zehnten Patienten gibt es aber ein Problem bei der Einnahme“, sagt Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, anlässlich der Apothekertagung zum Thema „Herz“ in Saalfelden: „Das sind nicht nur unerwünschte Wechselwirkungen. Oft stimmt der Einnahmezeitpunkt nicht, die Patienten verwechseln die Dosierung einzelner Präparate oder kennen sich – angesichts der verschiedenen Namen von Generika (Nachbaupräparate, Anm.) nicht mehr aus, was was ist.“

Beispiel Bluthochdruck: „Aus Studien wissen wir, dass 40 bis 60 Prozent der Bluthochdruckpatienten ihre Medikamente nicht ordnungsgemäß einnehmen“, sagt auch Raimund Podroschko, Vizepräsident der Apothekerkammer. „Der Bluthochdruck tut nicht weh“, sagt Wellan: „Im Gegensatz dazu können aber manche Hochdruckmittel bei Therapiebeginn leichte Nebenwirkungen (etwa Müdigkeit, Anm.) verursachen.“ Dies bedeute eine enorme Motivationsaufgabe – für Arzt und Apotheker: „Gerade bei den Herz-Kreislauf-Patienten nimmt der Stellenwert der Beratung in den Apotheken zu. Wichtig ist dabei der Überblick über alle Präparate, die ein Patient einnimmt – und das Wissen über ihr Zusammenspiel. Die Bedeutung eines solchen Medikationsmanagements wird in Zukunft stark wachsen.“

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