Die Sonderfälle der Medizin

Eines von 2000 Babys erkrankt an einer seltenen Krankheit.
Wie Betroffene von Aktionen wie der Ice Bucket Challenge profitieren.

Seit Tagen dominiert die Ice Bucket Challenge alle sozialen Netzwerke. Die Teilnehmer wollen auf die unheilbare Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) aufmerksam machen. Mittlerweile kennt sie fast jeder – obwohl ALS relativ selten ist. Pro 100.000 Einwohner treten jährlich ein bis zwei Fälle auf, rund 400 Patienten gibt es in Österreich. Für die Betroffenen ein großer Erfolg, denn ein häufiges Problem seltener Erkrankungen ist, dass selbst Ärzte wenig darüber wissen. Oft erfolgt erst nach Jahren die richtige Diagnose. "Viele sind verzweifelt und haben eine Odyssee hinter sich, ohne dass ihnen eine genaue Diagnose und Therapie geboten werden konnte", sagt Kaan Boztug, Leiter des Zentrums für die Erforschung und Behandlung seltener Erkrankungen an der MedUni Wien. Meist handelt es sich um schwerwiegende, chronische, mehrere Organsysteme betreffende, Erkrankungen. Viele sind so selten, dass praktische Ärzte im Schnitt einmal pro Jahr mit ihnen zu tun haben.

Kaum Forschung

Neben großer Aufmerksamkeit geht es bei seltenen Erkrankungen vor allem um Spendengelder. Öffentliche Forschungsgelder sind aufgrund der geringen Betroffenenzahl oft gering oder bleiben ganz aus. "Die Schwerpunkte der Forschung werden meist auf Krankheiten gelegt, die sehr viele Patienten betreffen – etwa Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Erst wenn man selbst oder ein Angehöriger mit einer seltenen Krankheit konfrontiert ist, wird klar, wie wenig darüber bekannt ist", sagt Rainer Riedl, Obmann des Dachverbandes "Pro Rare Austria: Allianz für seltene Erkrankungen". Er ist Vater einer Tochter, die von der "Schmetterlingskrankheit" Epidermolysis bullosa (EB) betroffen ist. Als er merkte, dass sich nur wenige Spezialisten auskennen, begann er sich zu engagieren. "Als Betroffener ist man in einer schwierigen Situation – es gibt nur wenige Ärzte, andere Betroffene und keine Medikamente. Hinzu kommt, dass seltene Erkrankungen für die Pharmaindustrie wenig lukrativ sind, sodass kaum Forschung in diesem Bereich passiert", meint Riedl. Zwar beobachtet er in den vergangen Jahren langsam ein Umdenken. Im Bereich der Schmetterlingskrankheit sei aber viel nur über Spendengelder möglich geworden. Größter Erfolg bisher: Das EB-Haus in Salzburg, ein Spezialzentrum, das – abgesehen von einer Einmalsubvention des Bundes – zum großen Teil aus Spenden finanziert wurde.

Bei vielen Krankheiten fehle es bereits an Grundlagenforschung. Schon Spendengelder in der Höhe von mehreren 100.000 Euro können laut Riedl kleine Forschungsgruppen für zwei bis drei Jahre finanzieren. Für ALS-Betroffene sind seit Beginn der Benefizaktion allein bei der amerikanischen ALS Association mehr als 53 Millionen Euro zusammengekommen. "Ich freue mich sehr, dass die Aktion so ein Erfolg geworden ist. Mit dem Geld kann man an sehr guten Universitäten über Jahre forschen", sagt Riedl.

Neben mangelndem Bewusstsein in der Öffentlichkeit fehlen bei seltenen Erkrankungen oft Diagnose- und Behandlungsstandards. Die Nationale Koordinationsstelle für seltene Erkrankungen entwickelte in Zusammenarbeit mit Ministerien, Medizinern, Wissenschaftlern und Selbsthilfegruppen einen Aktionsplan für die nächsten Jahre. Laut diesem Plan soll vor allem die Diagnose seltener Erkrankungen verbessert werden. Einige der meist genetisch bedingten seltenen Erkrankungen werden über das Neugeborenenscreening kurz nach der Geburt abgeklärt, andere können durch gezielte Untersuchungen im Kindesalter festgestellt werden. Zudem sollen in den nächsten Jahren Expertisezentren entstehen, in denen Betroffene medizinische Unterstützung finden. Ausgebaut werden soll auch der österreichspezifische Teil des Internetportals Orphanet (www.orpha.net). Die Plattform bietet Informationen zu Experten, Studien, Spezialeinrichtungen und Selbsthilfegruppen.

Eine Erkrankung gilt als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen davon betroffen sind.

6000 bis 8000 seltene Erkrankungen sind heute offiziell bekannt.

80 Prozent der Erkrankungen sind genetisch bedingt.

7 Jahre dauert es im Schnitt, bis die richtige Diagnose vorliegt.

400.000 Menschen sind in Österreich betroffen, 50 Prozent davon sind Kinder.

In der EU sind 20 Millionen Menschen von einer seltenen Erkrankung betroffen.

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