Santorin in Angst: Beben wecken Erinnerungen an frühere Katastrophen

Fünf Erdbeben pro Stunde erschüttern Santorin dieser Tage. Glaubt man Historikern, könnte es in der Bronzezeit genauso gewesen sein. Das gewaltige Beben, das die Häuser der antiken Insel Thera zerstört hat, war nur der Vorbote einer viel größeren Katastrophe. Eines apokalyptischen Tages flog der Krater mit einem ohrenbetäubenden Knall in die Luft, Asche und Bimsstein regneten den Menschen in Akrotiri, der alten Hauptstadt, auf die Köpfe. Vulkanschutt schoss in den Himmel, vermutlich mehr als 30 Kilometer hoch. Das Meer vor der jetzt sichelförmigen Insel brodelte. Der vulkanische Auswurf türmte sich bis zu 60 Meter hoch.
Der Ascheregen deckte alles zu: Menschen, Häuser – und fast alles Leben. Es dürfte das Ende der Minoer, der ersten Hochkultur Europas, besiegelt haben und das östliche Mittelmeer in Asche und Rauch gehüllt haben. Wie hoch die Ascheschicht war, haben österreichische Forscher erst vor fünf Jahren nachgewiesen (siehe Grafik unten) – mithilfe von Bohrkernen aus dem 250 Kilometer südwestlich gelegenen Ephesos.
Vor der Katastrophe – das zeigen die aus dem Boden gewonnenen Pollen-Profile – war die Region intensiv genutzt. „Wir sehen Getreidepollen, Oliven, Wein“, erzählte Bioarchäologe Andreas Heiss damals. Dann verdunkelte sich der Himmel.
Das war nicht nur ein bisschen Ascheregen, der da über Monate runterkam. Alles, was weniger als einen halben Meter hoch war, starb ab.
Bioarchäologe
Nur die Bäume standen heraus und trotzten dem Ascheregen. Hungersnöte waren die Folge. Bis zu drei Jahre, schätzen Forscher, dauerte der Spuk. „In den Folgejahren setzte massive Erholung ein, denn Vulkanasche ist ein wunderbarer Dünger.“
Viele Beben
Trotzdem sitzt das Trauma tief, auch weil es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Katastrophen gab: Santorin ist bebender Hotspot am Schnittpunkt verschiedener tektonischer Platten. An einem Ring von Vulkanen liegt die Inselschönheit ebenfalls.
Mittlerweile ist klar, dass auch Kolumbos, der Unterseevulkan nördlich von Santorin keineswegs schläft. Zuletzt brach er im Jahr 1650 aus und das so heftig, dass die aufgetürmte Lava den Meeresspiegel durchbrach, glühende Asche acht Kilometer übers Meer bis nach Santorin schickte und Tsunamis auslöste, die noch 150 Kilometer entfernte Küsten verheerte.
Viel präsenter ist aber die Erinnerung an den Sommer 1956: Am 9. Juli wurde Santorin vom verheerendsten Beben des 20. Jahrhunderts in Griechenland heimgesucht, mit Magnituden von 7,7 und 7,2 – dem Hundertfachen der aktuellen Erdstöße. Die folgenden Tsunamis forderten in der Region Dutzende Opfer und verursachten schwere Schäden. Erst am Wochenbeginn titelte die griechische Zeitung Ta Nea „Der Albtraum von 1956 kehrt zurück“.
Kein Wunder, dass bereits mehr als 11.000 Menschen geflüchtet sind. Auch das eine Parallele zur Geschichte: Nach der Minoischen Eruption hat man kein einziges Skelett gefunden, wissen Archäologen. Sie gehen davon aus, dass die Menschen vom Ausbruch des Vulkans nicht überrascht wurden. Sie waren durch eine Reihe von Erdbeben vorgewarnt. Und haben Santorin rechtzeitig verlassen.
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