Was der Geschmack mit dem Immunsystem zu tun hat

Der Geruchssinn des Menschen ist hervorragend
HNO-Ärzte präsentieren neue Fakten zum Geruchs- und Geschmackssinn: Bitterstoffe unterstützen die Immunabwehr, schlechter Geruchssinn könnte ein Warnsignal für den Gesundheitszustand generell sein.

Am Anfang standen Riechversuche mit Testpersonen, dann kam eine mathematische Hochrechnung – und deren Ergebnis (veröffentlicht im Top-Journal Science) ist erstaunlich: "Theoretisch kann ein Mensch mehr als Tausend Milliarden Duftstoffe unterscheiden", sagt HNO-Mediziner Christian Müller, Leiter der Ambulanz für Allergie, Riech- und Schmeckstörungen an der HNO-Klinik der MedUni Wien.

350 Gene fürs Riechen

"Auch heute noch ist die Ansicht, dass das menschliche Riechvermögen unterentwickelt ist, weit verbreitet. Aber das ist falsch. Wir haben einen hervorragenden Geruchssinn." Von den rund 30.000 Genen des Menschen sind 350 für die Geruchswahrnehmung zuständig: "Dass der Körper rund ein Prozent seines Genoms (Erbmaterials, Anm.) fürs Riechen reserviert, ist erstaunlich."

Ein reduziertes Geruchsvermögen schmälert nicht nur den Genuss beim Essen oder die rechtzeitige Wahrnehmung von Gefahren wie verdorbene Lebensmittel oder Feuer: In einer fünf Jahre dauernden Studie war bei Menschen mit einem verminderten Geruchsvermögen die Sterberate doppelt so hoch wie bei bei Menschen mit normalem Geruchsempfinden – völlig unabhängig von anderen Faktoren wie bestehenden Grunderkrankungen. Müller: "Das deutet darauf hin, dass der Geruchssinn auch ein Indikator für die Regenerationsfähigkeit des Körpers ist." Riecht ein Mensch schlechter, regeneriert sich die Riechschleimhaut langsamer – und möglicherweise alle anderen Gewebetypen auch.

Geschmack in der Nase

Neues gibt es auch aus der Geschmacksforschung, der Gustologie: Auch auf Zellen der Nasenschleimhaut wurden Antennen (Rezeptoren) für das Geschmacksempfinden nachgewiesen. Diese spielen eine Rolle in der Abwehr von Infektionen: Bitterstoffe besetzen diese Rezeptoren und lösen damit eine Reaktionskette in den Zellen aus – diese setzen in der Folge Stickstoffmonoxid frei, das Bakterien zerstört – die Immunabwehr ist also auch eine Frage des Geschmacks.

Mit Bitterstoffen gegen Infekte?

"Wenn die Bitterrezeptoren nicht funktionieren, gibt es mehr Entzündungen im Körper", sagt Müller. Bei Menschen mit chronischer Rhinosinusitis (gleichzeitige Entzündung der Nasenschleimhaut und der Schleimhaut der Nasennebenhöhlen) ist das Geschmacksempfinden für süß und bitter deutlich geringer. Möglicherweise könnte eine Spülung mit Bitterstoffen die Infektabwehr beschleunigen – das ist aber einstweilen nur eine Hypothese.

Geruchs- und Geschmackssinn sind auch ein Thema beim Jahreskongress der Österreichischen HNO-Gesellschaft. "Wir können heute etwas tun, wenn der Geruchssinn verloren gegangen oder vermindert ist", betont Müller. Ein Riechtraining etwa. Wer zwei Mal täglich an vier Duftstoffen riecht, dessen Geruchssinn regeneriert sich deutlich rascher – das ist bereits nachgewiesen.

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