Wie nimmt das Hirn unser Essen wahr?

Wie nimmt das Hirn unser Essen wahr?
Wer mit schwerem Besteck isst, dem schmeckt das Essen besser.
Wie nimmt das Hirn unser Essen wahr?
ARCHIV - Ein Fliegenpilz (lat. Amanita muscaria) steht am 21.09.2013 in einem Wald nahe Jänschwalde (Brandenburg). In Brandenburgs Wäldern hat die Hauptsaison für Pilzsammler begonnen. Foto: Patrick Pleul/dpa (zu dpa "Mehr Menschen mit schwerer Pilzvergiftung im Krankenhaus" vom 02.09.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Sie können noch so gut kochen, wenn sie dann bei Tisch das falsche Geschirr – zum Beispiel rote Teller – benutzen, war alles umsonst. Außer Sie wollen sich oder Ihre Gäste auf Diät setzen. Forscher haben in einigen Studien herausgefunden, dass auf roten Tellern Serviertes nicht so gut schmeckt. Das ist möglicherweise evolutionsbiologisch begründet, meinte kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Rot signalisiert in der Natur Gefahr – man denke nur an Fliegenpilze oder Tollkirschen.

Der experimentelle Psychologe Charles Spence, der im britischen Oxford lehrt, beschäftigt sich mit derartigen Phänomenen. Seit einigen Jahren rückt das noch junge Forschungsfeld Neurogastronomie zunehmend in den Blickpunkt. Damit sind nicht neue Entwicklungen in der Szene-Gastronomie gemeint. Sondern wie sehr unsere Sinnesreize an der Entwicklung von Geschmack beteiligt sind. In der Neurogastronomie wird erforscht, wie das Geschmackssystem des Menschen funktioniert. "Alles, das wir essen oder trinken, wird über unsere Sinne verarbeitet", schreibt Spence im Buch "The Perfect Meal".

Geschmack aus dem Hirn

Und daher kommt dem Gehirn eine größere Rolle zu als dem klassischen Zusammenspiel von Geruchs- und Geschmackssinn. Anders als wir glauben, entsteht Geschmack nicht auf der Zunge oder in der Nase, sondern im Gehirn. Dort werden die übermittelten Reize erst interpretiert.

Wie nimmt das Hirn unser Essen wahr?
Das Aroma eines Rotweins "erriecht" ein Weinprüfer am Mittwoch (07.02.2007) bei der ersten von insgesamt vier DLG-Prämierungen in Frankfurt am Main. Dabei dominieren in diesem Jahr die Rebsorten Riesling und Spätburgunder. Foto: Boris Roessler dpa/lhe (Zu dpa/lhe-Korr vom 07.02.) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Diese komplexe Verarbeitung gleicht sogar unser, im Vergleich mit anderen Säugetieren nicht so gut ausgeprägtes, Riechorgan aus. Im Vergleich zum Hund sei es kleiner und verfüge über weniger Rezeptoren, beschreibt etwa der Neurowissenschaftler Gordon M. Shepherd. Er beschäftigt sich an der US-Universität Yale mit Neurogastronomie. Er bezeichnet das Triumvirat von Geruchs- und Geschmackssinn sowie deren Reizverarbeitung als "einzigartiges, menschliches Gehirn-Geschmackssystem".

So richtig zum multisensorischen Genuss wird eine Mahlzeit aber erst durch weitere Sinnesreize. Ob das Essen schmeckt, hängt zum Beispiel stark von der Präsentation ab. Hier kommen neben den gustatorischen auch übers Auge wahrgenommene Reize und haptische Faktoren zum Tragen. Neben der Tellerfarbe kann sogar das Besteck Einfluss aufs Essverhalten haben. Schottischen Hotelgästen etwa schmeckten ihre Mahlzeiten wesentlich besser, wenn sie schweres Besteck verwendeten.

Auch Hintergrundmusik beeinflusst unser Ess-Verhalten über den Gehörgang. In den Restaurants einer US-Kette für mexikanisches Fast Food wird zur Rush-Hour sogar flottere Musik gespielt als zu anderen Tageszeiten, damit die Gäste schneller essen.

Warum es schmeckt

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An der Entwicklung von Geschmack sind auch Vernetzungen mit anderen Hirnarealen beteiligt. Wenn es um Essen und Geschmack geht, spielen schließlich auch Emotionen, Erinnerungen, Sprache und Bewusstsein eine Rolle. Ein befriedigendes Mahl aktiviert im Gehirn zudem dieselben Areale wie Sex. Unter diesem Aspekt bekommt der Ausspruch "Essen ist der Sex des Alters" gleich eine andere Bedeutung.

Viele Vorlieben gehen allerdings schon bis auf die frühe Kindheit zurück. Forscher haben festgestellt: Wenn die Mutter während der Schwangerschaft Karottensaft bevorzugte, mochte auch das Baby diese Geschmacksrichtung besonders.

Lieblingsgeschmäcker sind allerdings kein Zufallsprodukt, sondern entstehen gezielt, abgesehen von angeborenen Vorlieben für Süßes und Fettiges. Interessanterweise essen wir ansonsten genau jene Speisen gern, die wir oft essen – und nicht umgekehrt. An der Universität Kopenhagen beschäftigt sich der Physiker Per Møller mit Gewöhnungseffekten in der Ernährung. Er hat erforscht, warum sich Geschmäcker auch verändern können und fasst es so zusammen: "Wenn es etwas gibt, das unser Gehirn im Geschmack sucht, dann sind es Neuigkeiten."

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