Für Klima und Umweltschutz – kurz, für die Zukunft der Welt – in die Öffentlichkeit zu gehen, ist zweifelsfrei das Thema der Gegenwart. Neu sind derartige gewaltfreie Proteste zwar nicht. Für den Soziologen Alexander Bogner hat sich die Klimadebatte zuletzt stark verbreitert, in Richtung Generationengerechtigkeit. „Es ist ein ethisches Thema geworden, da kann sich eigentlich niemand dem Diskus verschließen“, erklärt der Experte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). In den 1980er-Jahren habe man das Thema vor allem in wissenschaftlichen Kreisen verhandelt, „da können wenige mitreden. Mittlerweile ist auf der Agenda, was wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen wollen“. Darin unterscheiden sich die Umweltbewegungen des 20. und 21. Jahrhunderts von jenen des 19. Jahrhunderts.
Diese stellte sich mehr wie „eine Art Heimatschutzbewegung“ dar, erläutert Bogner. „Sie war eigentlich konservativ, sie reagierte eher auf die Industrialisierungsfolgen – Fabriken, schwarzer Rauch über den Städten, verpestete Flüsse, zerstörte Traditionen und Gleichgewichte. Da ging es um die Bewahrung von Natur und Heimat.“
Der antikapitalistische Antrieb, den die Ökologisierungsbewegung in den 1970er-Jahren hatte, war dann neu. Sie sei durch die Diagnose über die Grenzen des Wachstums und von den 68ern beeinflusst worden und machte „Systemkritik aus grüner Perspektive“.
Identifikationsfiguren
Einzelpersonen wie Greta Thunberg sind als Identifikationsfiguren wichtig für eine Bewegung. „Dazu können sie aber nur werden, wenn für die Anliegen bereits eine gesellschaftliche Sensibilität vorhanden ist“, betont der Soziologe. Ansonsten würden sie verpuffen, hätten keine Wirkung, würden womöglich abgetan. Die erfolgreiche Mobilisierung, die durch Greta Thunberg gelang, zeige dies. „Globale Erwärmung wird schon seit den 1980er-Jahren diskutiert. Thunberg hat dem klimawissenschaftlichen Diskurs konkret nichts hinzugefügt.“
Sich für das Klima einzusetzen, noch dazu gewaltfrei – das kann doch gar nicht falsch sein, könnte man meinen. Allerdings gibt Bogner zu bedenken: „Protestbewegungen laufen immer Gefahr, sich zu radikalisieren.“ Etwa, wenn das Anliegen – die Rettung des Planeten, ja, der ganzen Menschheit – entsprechend groß ist. Dann müsse man sie auch gegen die Allgemeinheit und durch Umgehung der üblichen politischen Wege durchsetzen. „Argumentiert wird mit der Dringlichkeit. Das sieht man auch bei den Klimakleber-Protesten. Sie sagen, es ist fünf nach zwölf, das ist ihr Ausgangspunkt. Und: Die Politik tut nichts.“
Der Klimaschutz gehört zu den Themen, für die es in der Gesellschaft ansonsten keine natürliche, direkte Adresse gibt. „Ökologische Themen haben keinen direkten Partner in der Gesellschaft.“ Durch die Mobilisierung schaffen es Ökologiebewegungen aber, „dass ihre Themen von der Gesellschaft als relevant betrachtet werden“, erklärt Alexander Bogner. „Und das ist die eigentliche Leistung dieser Protestbewegungen.“
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