Was ein Nobelpreisträger über Big Bang Theory und Bob Dylan denkt

George Smoot in den Ausstellungsräumen des Naturhistorischen Museums Wien.
George Smoot im KURIER-Interview: Sind wir wirklich alleine im Universum?

Sheldon Cooper nannte den Physiker Smoot eine Diva: der ehrgeizige Jung-Wissenschaftler aus der Fernsehserie "The Big Bang Theory" konnte es nicht ertragen, dass ihn der Nobelpreisträger ignorierte – natürlich nur in der Fernsehszene. Forscher Smoot hatte dort 2009 eine Gastrolle. Nun ist er in Wien. Eingeladen zur Eröffnung einer neuen Sonderausstellung im Naturhistorischen Museum (siehe unten). Alles andere als divenhaft gab sich der 71-Jährige im Interview. Schnell eine Runde Protonen-Fußball spielen, um dann über Gravitationswellen und intelligentes Leben im All zu sprechen.

KURIER: Prof. Smoot, ich möchte mit Ihnen über die aktuellen Nobelpreisträger reden...

George Smoot: Sie meinen über Bob Dylan? Ich mag ihn sehr und war überrascht, dass er den Preis bekommt. Ich kann aber verstehen, warum sie ihn genommen haben. Literatur ist immer außergewöhnlich.

Ja, er hat sich jedenfalls noch nicht dazu geäußert.

Es ist wahrscheinlich ein großer Schock für ihn. Einen Nobelpreis zu gewinnen, bringt das Leben etwas durcheinander. (lacht)

Wie war das bei Ihnen?

Ich wusste, dass ich nominiert war, dennoch hat es mich überrascht. Als sie aus Stockholm anriefen, war es in Kalifornien drei Uhr früh. Zunächst dachte ich, es ist ein Scherz meiner Studenten. Ich drehte den Computer auf und sah nach, ob es wirklich wahr ist. Sie haben aber meinen Namen erst nach dem Anruf online gestellt. Als eine dritte Person in der Leitung war, wusste ich: Okay, das ist jetzt alles echt.

Als mögliche Preisträger waren heuer die Erfinder von LIGO, dem Observatorium, mit dem Gravitationswellen nachgewiesen wurden, im Gespräch. Bekommen haben ihn aber Quantenphysiker.

Das hat mich nicht überrascht. Ich glaube, sie wollen noch ein Jahr warten. Zudem haben die LIGO-Forscher ihre Erkenntnisse sehr spät bekannt gegeben. Man sollte jetzt noch warten, bis das einer der anderen "Laser Interferometer" online geht. Da gibt es etwa Virgo in Italien (ein französisch-italienischer Gravitationswellendetektor, der Ende 2016 startet, Anm.). Je mehr Detektoren es gibt, desto präziser lässt sich sagen, woher die Wellen kommen. Es sind so viele qualifizierte Menschen daran beteiligt, die Wunderbares geleistet haben. Man muss sorgfältig auswählen, wer den Preis bekommt.

Sie haben die wichtigste wissenschaftliche Auszeichnung vor zehn Jahren bekommen. Ihre Entdeckung galt als "Heiliger Gral". Was genau ist Ihnen da gelungen?

Wir (Smoot und John Mather, Anm.) bekamen den Preis dafür, dass wir uns die früheste Geschichte angesehen haben und mit den kosmischen Mikrowellenstrahlen ein erstes Bild aus der Frühzeit des Universums lieferten. Es ist, als hätten wir uns einen Embryo angesehen.

Für Nicht-Physiker ist es schwer zu verstehen, was zu Beginn des Universums passiert ist.

Zu Beginn meiner Vorlesungen dachte ich, meine Studenten haben ein Problem mit der Idee von der Unendlichkeit des Universums. Schwerer fällt ihnen aber, zu verstehen, dass Zeit fortlaufend ist. Es gibt etwa Modelle, die zeigen, dass das Universum einfach aufgepoppt ist.

Was sind die großen Fragen, die Sie beschäftigen?

Die Liste ist lang. Ich bin vor allem sehr gespannt, wie es mit den Gravitationswellen weitergeht. Es ist eine großartige Entdeckung, die viele neue Möglichkeiten bietet. Ich kenne die Forscher alle sehr gut, etwa Rainer Weiss, einer der Begründer von LIGO. Sie haben mir damals einen Job angeboten, als sie noch weit von der Entdeckung entfernt waren. Ich wollte etwas anderes machen, habe aber alles mitverfolgt. Derzeit bauen wir an einer neuen Art von Detektoren, um Gravitationswellen aus der frühesten Zeit des Universums zu messen. Ich will sehen, wie das passiert.

Eine der weiteren großen Fragen der Menschheit ist: Sind wir alleine im Universum?

Wir wissen, dass es zirka 2000 bewohnbare Planeten gibt. Also viel Platz, wo Leben sein könnte. Ich glaube, dass es welches gibt. Es stellt sich nur die Frage, ob es auch intelligent ist, vielleicht sogar TV schaut? (lacht)

Apropos Fernsehen. Sie hatten 2009 in der US-Serie "Big Bang Theory" eine Gastrolle, spielten sich selbst.

Meine Studenten erzählten mir von dieser Serie, zeigten mir ein paar Folgen und meinten, ich soll mitmachen. Was mir an der Serie gefällt: Sie zeigt Wissenschaftler in einem anderen Licht, nicht immer im Laborkittel und vor dem Computer. Nach mir haben auch ein paar andere mitgemacht, sogar Stephen Hawking. Es war eine außergewöhnliche Erfahrung, die Schauspieler sind toll, auch die wissenschaftlichen Berater. Ich mag Jim Parsons (er spielt Sheldon Cooper, Anm.) sehr gerne, ein großartiger Schauspieler. Im Zuge von Spendenaktionen habe ich schon öfters mit ihm zusammengearbeitet.

Zur Person: Astrophysiker George F. Smoot

Geboren am 20. 2. 1945 in Yukon, Florida, als Sohn einer Lehrerin und eines Hydrologen, studierte Smoot Mathematik und Physik am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er promovierte 1977 und arbeitete an der University of California in Berkeley sowie für die NASA. 2006 erhielt er mit John Mather den Nobelpreis für die präzisen Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung: Sie ist das „Echo“ des Urknalls. Diese Mikrowellenstrahlung wurde etwa 4000 Jahre nach dem Urknall ausgesendet. Für ihre Arbeit nutzten sie einen NASA-Satelliten (COBE), mit dem sie die Temperatur der Hintergrundstrahlung feststellen konnten und wie sich Materie zusammenballen kann. Stephen Hawking bezeichnet ihre Forschung damals als „discovery of the century, if not all time“.

Nicht weniger als die Ereigniskette, die zur Bildung des Universums führte, steht im Fokus der neuen Schau im Naturhistorischen Museum Wien. Unter dem Titel "Wie alles begann – Von Galaxien, Quarks und Kollisionen" wurde die Entwicklung vom Urknall bis zum CERN veranschaulicht. Die Frage, die sich durch die neue Ausstellung zieht, sei jene danach, "was wir eigentlich über die Vergangenheit des Universums wissen", sagte NHM-Direktor Christian Köberl bei der Eröffnung. Beim Blick in den Weltraum in Richtung Urknall stoße man bald an Grenzen. Meteoriten erlauben etwa Einblicke in die Bedingungen bei ihrer Entstehung vor 4,6 Mrd. Jahren, erklärte der Meteoritenforscher. Viele weitere Einblicke sind wiederum mit den Methoden der Astronomie möglich. Mit Teleskopen und der Messung von Überbleibseln des "Big Bangs" in der kosmischen Hintergrundstrahlung stoße man 380.000 Jahre nach dem Startschuss des Universums vor mehr als 13 Mrd. Jahren auf eine weitere Grenze. An diesen Grenzsteinen der Rückschau orientiert sich zuerst auch die Ausstellung, um dann an jenen Punkt zu gelangen, wo die Wissenschaft heute steht. Einen Blick in jene seltsame "Welt" knapp nach dem Urknall erlaube beispielsweise die größte Maschine der Welt – der Teilchenbeschleuniger LHC am Europäischen Labor für Teilchenphysik CERN, wie Schieck, dessen Institut an mehreren Experimenten an der Forschungseinrichtung nahe Genf beteiligt ist, ausführte.
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