Neue Schlaganfalltherapie: Das Gerinnsel herausziehen

Eine rote Stelle im menschlichen Gehirn auf einem Röntgenbild
Seit kurzem ist eine neue Behandlungsmethode für große Gefäßverschlüsse fast flächendeckend in Österreich verfügbar.

Wissenschaftliche Tagungen sind in der Regel eher für die jeweiligen Spezialisten von Bedeutung. Doch bei der "Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin" dieser Tage in Wien gab es eine sehr erfreuliche Nachricht, die jeden Österreicher interessieren sollte: Die neue Methode der mechanische Entfernung von Blutgerinnseln nach einem Schlaganfall kann bereits für Patienten aus fast allen Regionen Österreichs zeitgerecht angeboten werden. Dabei wird mit Hilfe eines Mikrokatheters (dünner Schlauch) und eines Drahtgeflechts (Stent) das Blutgerinnsel entfernt.

"Österreich ist eines der ersten Länder in Europa, das eine flächendeckende Versorgung von zumindest 95 Prozent des Bundesgebietes bereits umgesetzt hat", sagt der Innsbrucker Neurologe Stefan Kiechl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Schlaganfallforschung.

In jedem Bundesland kann zumindest jeweils ein Spital die Therapie rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr bereitstellen.

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Neue Schlaganfalltherapie: Das Gerinnsel herausziehen

Motiviertes Team

Und das ist nicht so einfach: Denn es müssen mehrere ärztliche und andere Berufsgruppen – Anästhesisten, Neurologen, Radiologen, radiologisch-technische Assistenten (RTAs), speziell ausgebildetes Pflegepersonal – im Team zusammenarbeiten. "Es müssen alle motiviert sein und berufsgruppenübergreifend arbeiten können – und es kommt wirklich auf jede Minute an", betont ein erfahrener Neurologe, der schon Erfahrung mit der neuen Methode hat. Zumindest fünf bis sechs Spezialisten sind für so einen Eingriff notwendig.

Die neue Behandlungsform wird bei Schlaganfällen eingesetzt, bei denen große Hirngefäße durch entsprechend große Gerinnsel verschlossen sind und die bisherigen Behandlungsmethoden oft nicht ausreichend angesprochen haben. Konkret die Thrombolyse – die Auflösung des Gerinnsels mit Hilfe eines Medikaments. Diese wird österreichweit derzeit in 38 speziellen Schlaganfalleinheiten ("Stroke units") angeboten. Jeder Schlaganfallpatient in Österreich kann innerhalb von 30 Minuten in so eine Abteilung gebracht werden.

Geringeres Risiko für neurologische Ausfälle

Mehrere große Studien zeigten: Die neue Methode des Herausziehens erhöht die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall mit einem großen Blutgerinnsel ohne (größere) neurologische Ausfälle zu überleben, um das Zweieinhalbfache.

Das Zeitfenster für die Wirksamkeit der medikamentöse Therapie beträgt 4,5 Stunden, jenes für die mechanische Entfernung sechs Stunden. "Das heißt aber nicht, dass die Leute sechs Stunden Zeit haben, bis sie zu uns kommen", warnen Neurologen. "Pro Minute sterben zwei Millionen Nervenzellen. Es zählt wirklich jede einzelne Minute."

Weniger Schäden

Bei 80 bis 85 Prozent der Patienten mit einem großen Schlaganfall könne die neue Methode angewandt werden. "Die Rate der Patienten ohne bleibende Schäden beträgt dann 45 Prozent", so Kiechl. 2014 gab es rund 300 solcher mechanischer Gerinnselentfernungen, 2016 waren es bereits 650. "Wir rechnen mit einem Anstieg auf 1000 bis 1200."

Vor einem Schlaganfall ist niemand gefeit – bestimmte Faktoren wie Alter oder familiäre Veranlagung sind nicht beeinflussbar. Bei anderen Faktoren kann man zumindest versuchen, sein Risiko zu reduzieren: So kann durch die frühzeitige Erkennung und konsequente Behandlung von Bluthochdruck das Schlaganfallrisiko um zumindest 40 Prozent gesenkt werden. Raucher haben ein Schlaganfallrisiko, das um das Zwei- bis Vierfache erhöht ist.

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