Krimi um Meteoriten-Explosion über Russland
Sie fallen unbemerkt in den Ozean, stürzen über der Sahara ab oder ins Eis der Antarktis. Manch einer hinterlässt sogar Spuren. Im Februar 2013 explodierte ein Meteorit über der russischen Stadt Tscheljabinsk. Er setzte dabei 30-mal so viel Energie frei wie die Atombombe von Hiroshima. Die Druckwelle der Explosion ließ Fensterscheiben in weitem Umkreis zerbersten, die Glassplitter verletzten an die 2000 Menschen. Zahlreiche Forscher und Sammler machten sich damals auf den Weg, um Brocken aufzulesen und sie im Internet zu verkaufen.
Jetzt konnte ein deutsch-österreichisches Forscherteam nachweisen, dass Bruchstücke des Meteoriten radioaktiv kontaminiert sind – keine natürliche Verunreinigung, sondern von Menschen verursacht, berichtet Georg Steinhauser. Er ist Physiker am Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Universität Hannover.
Bereits in Vorstudien fand man heraus, dass sich in den Bruchstücken des Meteoriten "Cäsium-137" befindet, es entsteht durch Kernspaltungsprozesse. Woher und wie es auf die Meteoriten-Teile kam, wusste aber niemand. War es radioaktiver Fallout von den atmosphärischen Kernwaffentests oder gar ein Überbleibsel des Tschernobyl-Unfalls? Steinhauser hatte einen anderen Verdacht.
Verschwiegener Unfall
1957 ereignete sich nahe der russischen Stadt Kyschtym eine folgenschwere Katastrophe, die lange geheimgehalten wurde. Erst nach dem Fall der Sowjetunion kam ans Licht, was damals passiert war: In der Nuklearanlage "Majak" reagierten zwei chemische Stoffe in den Lagertanks und explodierten. Eine kochende Säure-Fontäne schoss heraus. Hochradioaktiver Nebel legte sich über die Wälder, Seen und Dörfer der Umgebung. "Insgesamt wurde sogar mehr Radioaktivität freigesetzt als in Fukushima", berichtet Strahlen-Experte Steinhauser.
Der Beweis war also gefunden, denn der radioaktive Stoff ist, laut Steinhauser, ein klassischer Indikator für den Unfall in der Nuklearanlage "Majak". Dort erzeugten die Sowjets damals Plutonium für das sowjetische Atomwaffenprogramm. "Cäsium-137" und "Strontium-90" blieben dabei als Abfallprodukte übrig. Während sie Cäsium für medizinische Präparate und technische Zwecke brauchten, fanden sie für Strontium keine Verwendung.
"Es ist ein besonders langlebiger, radioaktiver Stoff und wie sich zeigte noch immer im Boden, auch nach Jahrzehnten", sagt der erstaunte Experte. Es sollte es nicht die einzige Überraschung bleiben.
Magnetische Erde
Als die Wissenschaftler weitere Proben von der Meteoriten-Fundstelle untersuchten, stellten sie fest, dass es sich nicht um gewöhnliche Erde handelt: "Sie war komplett ferromagnetisch. Ich habe mit einem Spatel darin herumgestochert und es wirkte so, als würde er die Teilchen bewegen." Die Conclusio der Forscher: der Meteorit ist auf einer Industriehalde niedergegangen, die obendrein radioaktiv kontaminiert war. Die Ergebnisse ihrer Studie werden demnächst im Fachjournal Meteoritics & Planetary Science veröffentlicht.
Was dort ebenfalls nachzulesen ist: Die Physiker fanden in der Erde des Fundortes ein Mineral, das auf unserem Planeten besonders selten ist: Troilit – "das kann wiederum nur vom Meteoriten stammen", erklärt Georg Steinhauser. Das Geschoß aus dem All hat seinen Fundort also selbst "markiert" – und konnte überführt werden.
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