Was Sie über PSA-Test und Prostatakrebs wissen sollten
Baumeister Richard Lugner hat Samstagvormittag in einem Schreiben an die APA (Austria Presseagentur) der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass er an Prostatakrebs leidet. Und damit ist er de facto ein "Ausnahmefall". - "Es gibt wenige prominente Betroffene, die mit der Diagnose an die Öffentlichkeit gehen wollen - vielfach herrscht der Glaube vor, ohne Prostata sei man kein ganzer Mann mehr", sagte erst kürzlich Univ.-Prof. Shahrokh F. Shariat, Leiter der Universitätsklinik für Urologie der MedUni Wien. Doch die Therapiemöglichkeiten haben sich deutlich verbessert, Nebenwirkungen sind viel seltener geworden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Wie häufig ist Prostatakrebs?
Mit rund 4500 Neuerkrankungen pro Jahr ist Prostatakrebs in Österreich die häufigste Krebserkrankung beim Mann. Jährlich gibt es rund 1200 Todesfälle.
Welche Funktion hat die Prostata?
Die Vorsteherdrüse liegt unterhalb der Harnblase und umschließt den erstenTeil der Harnröhre. Sie ähnelt in Größe und Form einer Kastanie. Die Prostata produziert einen Flüssigkeit, die beim Samenerguss den im Hoden gebildeten Samenzellen beigemengt wird. Die Prostata produziert die Hälfte der Flüssigkeit beim Samenerguss. Bei nahezu jedem zweiten Mann über 50 entstehen Gewebsveränderungen in der Prostata, welche man als gutartige Prostatavergrößerung bezeichnet. Das ist jedoch keine Vorstufe des Prostatakrebs.
Ab wann soll ein Mann zur Prostata-Vorsorge?
"Prostatakrebs im Frühstadium zeigt keine Symptome", heißt es in einer Vorsorgebroschüre der Österreichischen Krebshilfe. Ab 45 sollten deshalb Männner regelmäßig beim Urologen zur Prostatakrebs-Vorsorge gehen", sagt der Urologe Prim. Priv.-Doz. Dr. Anton Ponholzer, Leiter der Abteilung für Urologie und Andrologie bei den Barmherzigen Brüdern in Wien, zum KURIER. Sind der Vater, ein Bruder oder ein Onkel an Prostatakrebs erkrankt, ist das eigene Risiko um 50 bis 100 Prozent erhöht. In diesem Fall sollte man bereits mit 40 mit der Vorsorge beginnen." Die Prostatakrebs-Früherkennung umfasst die Tastuntersuchung durch den Arzt und den PSA-Test. Beide Untersuchungen zusammen erhöhen die Treffsicherheit der Prostatakrebs-Vorsorge.
Was genau ist der PSA-Wert, von dem Richard Lugner schreibt?
PSA steht für "prostataspezifisches Antigen". Es ist ein Eiweiß, das auch von gesunden Prostatazellen gebildet wird. Prostatazellen können aber eine vielfache Menge davon produzieren. Der PSA-Grenzwert wurde laut Österreichischer Krebshilfe in zahlreichen Studien mit 4 Nanogramm pro Milliliter Blut festgesetzt. Bei PSA-Werten zwischen 4 ng/ml und 10 ng/ml liegt die Wahrscheinlichkeit für Prostatakrebs bei rund 30 Prozent, so Ponholzer. Bei Werten über 10 ng/ml ist die Wahrscheinlichkeit schon deutlich höher und liegt bei 50–80 Prozent.
Richard Lugner machte in seinem Schreiben an die APA einen Wert 11.300 (elftausenddreihundert) ng/ml öffentlich. Urologen gehen aber davon aus, dass eher 11,3 ng gemeint sind. Bei 11.300 ng/ml wäre die Erkrankung wahrscheinlich bereits so weit vorgeschritten, dass eine Bestrahlung keinen Sinn mehr machen würde. Richard Lugner schreibt aber, dass er noch bis Weihnachten täglich im AKH eine Strahlentherapie erhalte.
Und wie ausssagekräftig ist der Test?
"Seit der Einführung des PSA-Screenings ist die Sterblichkeit durch Prostatakrebs um 40 Prozent gesunken, so Shariat: „Der Anteil von metastasierten – also bereits im Körper gestreuten – Prostatakrebserkrankungen an allen Diagnosen ist durch diesen Test von 20 auf rund drei Prozent gesunken.“
Viele große Studien hätten in den vergangenen Jahren eine höhere Überlebensrate in jenen Patientengruppen gezeigt, die einen solchen PSA-Test regelmäßig durchführen ließen. Nur eine große US-Studie habe keinerlei Unterschiede zwischen der getesteten und nicht-getesteten Patientengruppe festgestellt. Dies hatte in den USA zu einer negativen Beurteilung des PSA-Tests geführt.
"Doch vergangenes Jahr hat sich gezeigt: Auch in der Kontrollgruppe, die eigentlich keine PSA-Tests hätte durchführen lassen sollen – um eben die Unterschiede zu ermitteln –, ließen 90 Prozent der Männer einen solchen durchführen. Damit ist klar, warum sich hier kein Unterschied gezeigt hat. Aber diese Studie ist tot“, sagt Shariat.
"Das individuelle Risiko für einen einzelnen kann sogar um 50 Prozent reduziert werden", betont Ponholzer.
Wie sieht die weitere Vorgangsweise nach einem Test aus?
Ein einziger, etwas erhöhter PSA-Wert ist noch kein Anlass für eine Biopsie. Denn es gibt eine Reihe von Faktoren, die den PSA-Wert erhöhen können (z. B. sexuelle Aktivität, Radfahren). Entscheidend ist der Verlauf von mehreren PSA-Werten im Abstand von mehreren Wochen ("PSA-Dynamik"). "Aber auch wenn ein Prostatakrebs festgestellt wird, heißt das heutzutage nicht automatisch, dass eine Operation oder eine Bestrahlung notwendig sind", betont Urologe Ponholzer. Manchmal ist auch eine "aktive Überwachung" ("active surveillance") möglich, weile viele Krebsformen nur langsam fortschreiten.
In welchen Abständen soll ein Mann zur Prostatakrebs-Vorsorge gehen?
Das Intervall der Nachfolgeuntersuchung sollte sich am aktuellen PSA-Wert und am Alter der Patienten orientieren (sofern es keine Notwendigkeit für eine Biopsie gibt). Bei einem PSA-Wert von unter 1 ng / ml reicht ein Intervall von vier Jahren, bei einem Wert zwischen 1 und 2 ng / ml ein zweijähriges Intervall. Ein jährlicher PSA-Test wird bei einem Wert von mehr als 2 ng / ml empfohlen. Nur bei Männern über 70 Jahre sollten die Intervalle individuell mit dem Arzt besprochen werden.
Wie groß ist das Risiko von Nebenwirkungen durch Operationen und Bestrahlungen?
Die Risiken von Nebenwirkungen seien deutlich gesunken, sagt Shariat: "Wir sehen kaum mehr Inkontinenz." Auch die Wahrscheinlichkeit von erektiler Dysfunktion sei heute viel geringer: "Die Operations- und Bestrahlungsmethoden haben sich sehr verfeinert. Wir sehen die Nervenbahnen besser als früher – und können sie besser erhalten. Bei den meisten Patienten bekommen wir das gut hin."
"Das Risiko einer längerfristigen Harninkontinenz ist mittlerweile sehr gering", unterstreicht auch Ponholzer. . Ein Grund hierfür ist zum Beispiel der Einsatz eines modernen DaVinci-OP-Roboters für derartige Eingriffe, wie er etwa bei den Barmherzigen Brüdern ausschliesslich seit Jahren eingesetzt wird.
"Von einer erektilen Dysfunktion nach einer Therapie ist jeder zweite Mann betrtoffen, sie kann aber mit Potenzmitteln gut behandelt werden." Die Libido ist auf keinen Fall betroffen. "Insgesamt überwiegt der Nutzen einer Therapie die Risiken aber deutlich."
Welche Prominente haben sich ebenfalls zu Ihrer Erkrankung bekannt?
Im Oktober hat der US-Schauspieler Ben Stiller ("Zoolander") seine Erkrankung öffentlich gemacht. Er habe Glück gehabt, dass ihm sein Arzt im Alter von 48 Jahren den PSA-Test ans Herz gelegt habe: "Dieser Test hat mein Leben gerettet."
Bei US-Entertainer Harry Belafonte, 89, war Prostatakrebs 1996 in frühem Stadium entdeckt und auch erfolgreich behandelt worden. Ebenso bei US-Außenminister John Kerry, 72 – seine Frau war in einem Blutbefund auf einen Entzündungswert aufmerksam geworden.
Auch bei dem früheren französischen Staatspräsidenten François Mitterrand war bereits 1981 ein Prostatakrebs festgestellt worden. Die Ärzte gaben ihm damals noch drei Lebensjahre. Mitterrand starb an den Folgen dieser Krankheit, die er lange vor der Öffentlichkeit geheim gehalten hatte, aber erst 1996.
US-Musiker Frank Zappa verstarb 1993 an Prostatakrebs.
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