Adeles Abenteuer in Haiti
Leben, Laufen, Lernen, Lachen und Lieben – lautet jene Formel, die von Experten als Strategie für ein besseres Leben empfohlen wird. Ein außergewöhnliches Beispiel, wie man sie umsetzen kann, zeigt die Geschichte von Adele Körner aus Niederösterreich. Die 65-Jährige lebt aktiv, reist gerne, engagiert sich sozial und ist für ihre vier Töchter und zwölf Enkelkinder da.
Ihr erster Eindruck, nach der Ankunft in Port-au-Prince, war niederschmetternd. "Die Zerstörung durch das Erdbeben war enorm. Für mich war das eine Ruinenstadt auf einer Müllhalde." Vom Alltag der Menschen bekam sie anfangs wenig mit. An ihrem ersten Einsatzort unterrichtete sie in einem Kloster. "Man hat mich nicht gerne vor die Tore gelassen, weil alles so gefährlich war." Bald wurden ihr die Mauern des Klosters zu eng, ihr Abenteuergeist immer größer. Sie wollte etwas vom Leben der Menschen mitbekommen und ihre Kultur kennenlernen. Adele Körner wechselte ihre Bleibe und begann im Elendsviertel Cité Soleil zu arbeiten.
Um dem Leben und dem Alltag der Menschen noch näher zu sein, fuhr sie mit dem öffentlichen Verkehrsmitteln "TapTap", den bunten Bussen und Pick-Ups, und lernte Kreol. Fast 90 Prozent der Bevölkerung sprechen die Sprache, die sich aus französischen Wörtern und verschiedenen westafrikanischen Sprachen zusammensetzt. "Es ist schwierig zu lernen. Ich musste mir die Wörter laut vorlesen, um zu erkennen, was sie auf Französisch bedeuten könnten."
Adele Körner lernte sehr viele "liebe, herzliche Menschen" kennen. Dazu muss man offen sein und sich trauen, emotionale Bindungen zuzulassen. Vor allem als Lehrer reicht es nicht zu sagen, ich mag Kinder – du musst Menschen mögen, auch die Eltern der Schüler."
Andere Perspektive
"Jede Ausnahmesituation wird zum Alltag. Die Menschen sind in ihre zerstörten Häuser zurückgekehrt, weil es nicht anders geht. Sie sind arm, kämpfen aber jeden Tag um ihre Existenz." Diese Entschlossenheit hat sie nachhaltig beeindruckt. Überrascht hat sie, wie sehr sie sich in diesem schwierigen Umfeld geborgen gefühlt hat – "es hat oft kein Wasser gegeben, keinen Strom, ich habe die Wäsche mit den Händen gewaschen."
Zweifel oder Angst hatte sie keine. "Haiti ist nicht so gefährlich wie sein Ruf. Ich war vorsichtig, bin nicht alleine bei Nacht oder in gewissen Vierteln herumspaziert." Dennoch ist die Pensionistin überzeugt, dass man für einen solchen Aufenthalt eine Menge Durchhaltevermögen mitbringen sollte. "Man muss sich so manches trauen im Leben. Das versuche ich auch meinen Kindern und Enkelkindern mitzugeben."
Die konnten die Erlebnisse auf ihrem privaten Blog mitverfolgen – und ihre wichtigste Botschaft mitnehmen: "Man sollte sich trauen so zu leben, wie die Leute dort. Dann kann man auch mit ihren Augen sehen."
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