Tropfstein belegt: Neandertalern wurde in Süditalien nicht zu kalt

Ein Jäger und Sammler aus früher Zeit.
Tropfstein in Apulien lieferte Innsbrucker Geologen einzigartiges Fenster in die Klimavergangenheit.

Vielleicht war doch nicht der Klimawandel für das Aussterben der Neandertaler vor rund 42.000 Jahren verantwortlich. Zumindest für Apulien - die Region im Süden des heutigen Italien gilt als großer Lebensraum der Neantertaler - bestätigen neue wissenschaftliche Erkenntnisse diese gängige Hypothese  nicht. 

Zu diesem Schluss kamen Forscher vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck in aktuellen Untersuchungen. "Dort (in Apulien, Anm.) herrschten im Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum stabile Klima- und Umweltbedingungen", erklärte Christoph Spötl. Das fanden die Forscher mit Hilfe eines etwa 70 Zentimeter langen Stalagmiten heraus, den Columbu in der Höhle Pozzo Cucu südöstlich von Bari gefunden hat.

Rund 3.000 Jahre lang lebten Neandertaler und moderne Menschen in Südeuropa zusammen, ehe erstere vor rund 42.000 Jahre verschwanden. Klimaschwankungen galten bisher als möglicher Grund dafür. Im Fachjournal Nature Ecology & Evolution schließt das Forscherteam aus Italienern und Innsbruckern das als Ursache nun aus. Ein Tropfstein belegt, dass das Klima dort vor etwa 40.000 Jahren stabil war.


Tropfsteine als "Archiv" fürs Klima

Die Stalaktiten und Stalagmiten wachsen über Tausende Jahre in Höhlen, schließen dabei verschiedene Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Uran ein und zeichnen somit die Klima- und Umweltbedingungen sowie deren Veränderungen auf. Mithilfe geochemischer Untersuchungen können die Wissenschafter diese Informationen auslesen.

Der von Columbu entdeckte Tropfstein wurde vor 106.000 bis 27.000 Jahren abgelagert, ein überaus langer Zeitraum. "Mir ist in Europa kein anderes Beispiel bekannt, wo ein Tropfstein über so einen langen Zeitraum durchgehend gewachsen ist", erklärte Spötl. Der Stalagmit lieferte robuste Klimadaten für diese für die Menschheitsgeschichte interessante Phase.

Während der ersten 50.000 Jahre des Stalagmitwachstums gab es demnach große Klimaschwankungen. Die Daten für den jüngeren Abschnitt des Tropfsteins zeigten aber ein anderes Bild: "Apulien war im Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum, als moderne Menschen und Neandertaler gleichzeitig dort lebten, von keinen starken Klimaschwankungen betroffen. Mit anderen Worten: Das Klima spielte in dieser Region keine Schlüsselrolle für das Aussterben der Neandertaler, hier müssen andere Faktoren als Ursache gefunden werden", so Spötl.

Klimaschwankungen

Unter der Fülle von Hypothesen zum Aussterben der Neandertaler wird der rasche Klimawandel während des Übergangs vom Mittel- zum Jungpaläolithikum als einer der wichtigsten Faktoren angesehen, schreiben die Wissenschafter um den Geologen Andrea Columbu von der Universität Bologna (Italien) in der Arbeit.

So zeigten etwa vor zwei Jahren deutsche Forscher anhand von Stalagmiten aus zwei rumänischen Höhlen, dass es vor etwa 44.000 und vor 40.000 Jahren extreme Kälteperioden gab und diese mit Zeiträumen zusammenfallen, aus denen keine Neandertaler-Nachweise bekannt sind. Sie schlossen daraus, dass während der Kälteperioden - die stets auch mit großer Trockenheit einhergingen - die Neandertaler-Population erheblich zurückging.

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