Tabak, Alkohol, Übergewicht kosten bis zu 17 Lebensjahre

Tabak, Alkohol, Übergewicht kosten bis zu 17 Lebensjahre
Die Folgen eines ungesunden Lebensstils sind größer als bisher angenommen.

So genau hat es bisher noch keine Studie gezeigt: Wer nicht raucht, wenig Alkohol trinkt (Männer maximal ein Getränk täglich, Frauen maximal ein halbes), wenig rotes Fleisch und Wurst isst und auf ein normales Gewicht achtet, lebt – statistisch gesehen – bis zu 17 Jahre länger. Das ist der Maximalwert für Männer, bei Frauen sind es knapp 14 Jahre. Das errechneten Wissenschafter des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Die Grundlage sind umfassende Lebensstildaten von 25.000 Deutschen aus 20 Jahren. "Die meiste Lebenszeit kostet das Rauchen", sagt der Epidemiologe Prof. Rudolf Kaaks.

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KURIER: Hat Sie dieser hohe Verlust an Lebenszeit nur durch einen ungesunden Lebensstil überrascht?

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Rudolf Kaaks
Rudolf Kaaks:Ja. Es gibt ja unzählige Studien weltweit, die belegt haben, dass Rauchen oder hoher Alkoholkonsum ungesund sind, das ist ja nichts Neues. Aber es gibt wenige Studien, die den kumulativen Gesamteffekt so darstellen konnten wie jetzt unsere Analyse. Dass dieser Gesamteffekt so hoch ist – das hatten wir nicht erwartet.

Den Lebenszeitverlust für starke Raucher geben Sie bei Männern mit 9,4 und bei Frauen mit 7,3 Jahren an. Wie lange muss man rauchen, um so stark betroffen zu sein?

Diese Lebenszeitverluste sind für 40-Jährige berechnet. Die meisten Raucher, die in unsere Studie einbezogen sind, rauchten bereits seit 20 Jahren und länger. Und wir gehen bei unseren Berechnungen auch davon aus, dass die meisten an ihrem Verhalten nichts ändern. Dass bei Frauen der Verlust an Lebensjahren geringer ist, hängt damit zusammen, dass sie – zumindest bisher – im Schnitt später zu rauchen begonnen haben als Männer. Auch ein moderater Zigarettenkonsum – weniger als zehn Stück pro Tag – verringerte die Lebenserwartung bei Frauen und Männern um immer noch fünf Jahre.

Wie erklärt es sich dann, dass es auch starke Raucher gibt, die über 90 Jahre alt sind?

Natürlich wird es immer Menschen geben, die viel rauchen, zusätzlich andere Risikofaktoren haben und älter als 90 werden – der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt ist dafür ein gutes Beispiel. Aber es ist eine Seltenheit, wie wir es auch in zwei Kurven (siehe Grafik) anschaulich dargestellt haben: In der Gruppe, die am ungesündesten lebt, werden deutlich weniger als 20 Prozent 80 Jahre alt, in der gesündesten Gruppe sind es mehr als doppelt so viele. Der Verlauf nach unten setzt viel früher ein. Und bei vielen Menschen bleibt es ja nicht bei einer einzigen ungesunden Angewohnheit.

Ein hoher Konsum von rotem Fleisch und Wurstwaren wirkt sich in Ihrer Studie bei Frauen deutlich negativer aus als bei Männern. Warum?

Das wissen wir nicht genau. Möglicherweise spielen hier andere Effekte ebenfalls eine Rolle: Wer viel Fleisch isst, konsumiert automatisch andere Produkte weniger – möglicherweise hat da die Verdrängung anderer Produkte – etwa von Obst und Gemüse – ebenfalls einen Einfluss.

Welche Effekte hat es, wenn ein 40-jähriger Raucher Ihre Studienergebnisse liest und sofort mit dem Rauchen aufhört?

Er hat unmittelbar einen positiven Effekt auf die Atemwege, auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen geht rasch zurück. Es zahlt sich also immer aus. Aber beim Krebsrisiko muss man ehrlich sagen: Wer jahrzehntelang geraucht hat, wird es möglicherweise nie mehr schaffen, sein Krebsrisiko so weit abzusenken, dass es wieder dem von Niemals-Rauchern entspricht. Denn das kann 1 5 bis 20 Jahre dauern. Unsere Hauptaussage ist deshalb: Risikoreiches Verhalten beginnt in der Regel relativ früh im Leben, verstärkt sich oft auch noch im Laufe der Jahre – Beispiel Übergewicht – und wird auch nach dem 40. Lebensjahr beibehalten. Genau dann aber sind diese massiven Lebenszeitverluste zu erwarten.

Glauben Sie, damit auch Jugendliche beeindrucken zu können?

Jugendliche, die mit 14, 15 oder 16 mit Rauchen oder Alkoholkonsum beginnen, halten sich ja für unsterblich. Aber irgendwann kommt der Punkt, wo sie ihre Gewohnheiten nicht mehr loswerden können. Vielleicht können wir Jugendliche mit unseren Zahlen doch etwas beeindrucken – wenn sie sehen, wie dramatisch die langfristigen Auswirkungen ihres Verhaltens sind – und dass es in der Realität oft sehr schwer fällt, dieses Verhalten später noch zu ändern. Oft werden wissenschaftliche Hinweise auf einen gesunden Lebensstil ja als ,erhobener Zeigefinger‘ empfunden. Deswegen ist es so wichtig, dass wir ganz klar beziffern, was jeder Einzelne an Lebenszeit gewinnen kann, wenn er frühzeitig auf ungesunde Angewohnheiten verzichtet.

Wer hatte eigentlich die besten "Überlebenskarten" in Ihrer Studie?

Die größte Lebenserwartung hatten Nichtraucherinnen und Nichtraucher mit einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen 22,5 und 24, 9, die wenig Alkohol tranken, körperlich aktiv waren, wenig rotes Fleisch, dafür aber viel Obst und Gemüse aßen. Diese durften sich im Alter von 40 als Männer auf 47,5 und als Frauen sogar auf 48,7 weitere Lebensjahre freuen. Und neben starkem Übergewicht verringerte übrigens auch ein BMI-Wert unter 22,5 die Lebenszeit: Bei Männern um 3,5 und bei Frauen um 2,1 Jahre.

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