Was es mit der Invasion der Bernstein-Waldschabe auf sich hat

Eine braune Schabe sitzt auf einem grünen Blatt.
Die Bernstein-Waldschabe hat Hochsaison. Sie ist keine Gefahr für Menschen.

„Ende Juni ging es los, jetzt ist es explodiert.“ Iphigenie Jäger kommt kaum nach, aufgeregte Anrufer zu beruhigen. Nicht alles, was wie eine Schabe aussieht, ist ein Fall für die Meisterin der Schädlingsbekämpfung.

Harmlose Freilandschaben, allen voran die Bernstein-Waldschaben, haben zur Zeit Hochsaison. 2009 tauchten die ersten Individuen dieser Art in Vorarlberg auf. 2012 erreichten die aus Südeuropa stammenden Insekten Wien.

Darüber kann die Geschäftsleiterin von Esol Schädlingsbekämpfung aus eigener Erfahrung berichten: Vor sieben Jahren lief ihr in der Betriebskantine eine Schabe über den Weg. Die Kammerjägerin glaubte zunächst, eine Küchenschabe von einem Kunden mitgebracht zu haben. Unter dem Mikroskop zeigte sich aber schnell die feine Sprenkelung des Körpers, die charakteristischen braunen Streifen auf dem Halsschild dagegen fehlten. In der Fachliteratur wurde Jäger schließlich fündig.

Entwicklung

Ähnlich erging es Peter Sehnal bei seinem ersten Kontakt mit der anderen Art. 2012 landete eine einsame Bernstein-Waldschabe unter seinem privaten Binokular. Mittlerweile hat sich der Zoologe am Naturhistorischen Museum Wien an die „durchaus hübschen“ Tierchen gewöhnt. Leuchtet er heute bei einer nächtlichen Erkundungstour durch die Hauptstadt mit der Taschenlampe ins Gebüsch, entdeckt er sofort alle Entwicklungsstadien – vom Eipaket über die Nymphen bis zum geschlechtsreifen Insekt.

„Im Herbst erreichen Bernstein-Waldschaben ihr Populationsmaximum“, sagt der Biologe. Heiße, trockene Sommer begünstigen die Massenvermehrung; insgesamt profitieren die Sechsfüßer vom Klimawandel. Jäger sieht das anders: „Seit ein paar Jahren gibt es einen eingeschränkten Zugang zu Pflanzenschutzmitteln – vor allem für Laien, aber auch für den Profi. Die geringeren Bekämpfungsmaßnahmen im Freien bewirken auch hier ein Ansteigen der Freilandschaben.“ Weniger Chemie im Privatbereich bedeutet mehr Ungeziefer unterwegs.

Fest steht für beide Experten: Ectobius vittiventris werden wir nicht mehr los. Im Gegenteil: Die unschädlichen Überflieger werden auf ihrer Expansion Richtung Norden noch mancherorts für Schrecken sorgen.

„Sobald man das Insekt fliegen sieht, kann man sich entspannen“, beruhigt Sehnal. Bei der Bernstein-Waldschabe sind beide Geschlechter flugfähig. Lockt das Licht, verirren sich die Vegetarier in Wohnungen; in der Natur ernähren sie sich von vermodernden Pflanzenteilen. „Waldschaben sind Regenwürmer mit Füßen und Flügeln“, scherzt Jäger. Eingesperrt, vertrocknet sie in kürzester Zeit. Lebendige Exemplare fängt man am besten ein und lässt sie beim Fenster hinaus.

Was es mit der Invasion der Bernstein-Waldschabe auf sich hat

Kakerlaken können Krankheiten übertragen.

Gefährliche Kakerlaken

So ungefährlich die tagaktive Berstein-Waldschabe ist, so problematisch ist die Deutsche Schabe. Die potenziellen Krankheitsüberträger bleiben trotz Flügeln auf dem Boden. Sie fühlen sich wohl, wo es feucht und warm ist und Futter wartet. Untertags verstecken sich die scheuen Allesfresser mit dem flexiblen Körper meist in winzigen Ritzen. Erst bei Massenbefall sind sie zu sehen. „Wenn nicht mehr alle unterschlüpfen können, müssen die Jungtiere draußen sitzen“, erklärt die Kammerjägerin aus Familientradition.

Für die Bekämpfung von Kakerlaken braucht es Profis. Bernstein-Waldschaben dagegen lassen sich einfach durch Fliegengitter aussperren. Mit Ende Oktober, Anfang November bleiben die ungebetenen Gäste von selbst aus. Sehnal: „Im Herbst geht ihre Aktivität zurück. Im Winter verkriechen sie sich in Laubstreu oder Kompostansammlungen. Dann hat der Spuk ein Ende.“ Vorerst.

Kommentare