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Während viele Frauen ihrer Generation jahrelang Pro- und Kontra-Argumente abwägen, war Julia Brandner schon in ihrer Kindheit klar: Sie möchte niemals Kinder bekommen. Mit Mitte 20 begann sie sich über die Möglichkeit einer Sterilisation zu informieren – ein Eingriff, bei der die Eileiter verschlossen oder entfernt werden.
Schon bald stieß Brandner an die Grenzen des Systems. „Mir wurde gesagt, dass ich mich unter 30 nur durch Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens sterilisieren lassen könne“, erzählt die 29-Jährige. „Es hat mich unfassbar aufgeregt, dass man Frauen die Entscheidungsfähigkeit über ihren Körper abspricht. Denn das passiert jeden Tag.“
Ihre Wut kanalisierte sie in einem Instagram-Posting, das viel Aufmerksamkeit erregte.
Neben Anfeindungen („meist von Männern mit Autos im Profilbild“) gab es auch Verständnis, erzählt Brandner. „Die Leute haben von ihren eigenen Erfahrungen berichtet, da waren richtige Horrorgeschichten dabei.“
Seitdem thematisiert die steirische Stand-up-Comedienne mit 60.000 Instagram-Abonnenten regelmäßig ihre gewählte Kinderlosigkeit – und die Sterilisation, die ihr dank eines Gutachtens doch noch genehmigt wurde. Eine absurde Doppelmoral, findet sie. „Ich dürfte zehn Kinder in die Welt setzen, egal, ob ich mich um sie kümmern kann. Aber wenn ich keine möchte, brauche ich ein psychiatrisches Gutachten.“
Kinderlose Katzenfrau
Frauen, die wie Brandner keinen Kinderwunsch haben, polarisieren – daran hat sich in den vergangenen Jahren nur wenig geändert. „Der Mythos, dass Frauen nichts Schöneres kennen, als Kinder zu haben und mit ihren Kindern zu sein, hält sich hartnäckig“, sagt die Psychologin Sandra Gerö in einem KURIER-Interview. „Die Frau wird als Hauptverantwortliche für die Erhaltung der Familie betrachtet. Bleibt sie kinderlos, wird dies als egoistisch und kaltherzig hingestellt.“
Die Debatte reichte bis in den US-Wahlkampf, wo sich Kamala Harris (keine eigenen, zwei Stiefkinder) von ihren Gegnern als „kinderlose Katzenfrau“ verunglimpfen lassen musste. Auch Theresa May wurden einst ihre Führungsqualitäten abgesprochen, weil sie keine Mutter ist.
Ein Vorwurf, den kinderlose Männer viel seltener zu hören bekommen. Brandner will sich für ihre Lebensplanung nicht mehr rechtfertigen oder als egoistisch dargestellt werden: „Kinder bekommt man ja auch aus egoistischen Gründen. Und ich zahle mein Berufsleben lang ins Sozialsystem ein.“ Ihr soeben erschienenes Buch „I’m not kidding“ (auf Deutsch: Ich scherze nicht) ist ein Appell an Politik und Gesellschaft, (junge) Frauen in ihren Entscheidungen ernst zu nehmen. „Ich glaube, dass Kinderlosigkeit ein bisschen mit Versagen assoziiert wird“, sagt die Wahl-Berlinerin. „Man denkt automatisch an eine schrullige alte Tante mit vielen Katzen und einem leichten Alkoholproblem. Wir brauchen neue Bilder von Frauen, die kinderlos glücklich sind.“
Neue Offenheit im Netz
Dafür sorgen neben prominenten Stimmen immer mehr Influencerinnen in den sozialen Medien. Der Hashtag #kinderfrei zeigt auf, dass der Lebensentwurf auch bewusst gewählt sein kann. Die Wienerin Dariadaria veröffentlicht auf ihrem Profil nicht nur kritische Reaktionen auf ihre gewollte Kinderlosigkeit, sie erzählte auch offen von ihrem Schwangerschaftsabbruch. Ein Thema, das auch Brandner beschäftigt: „Abtreibungen müssen endlich raus aus dem Strafgesetzbuch und für alle zugänglich sein“, fordert sie. Solange man für höchstpersönliche Entscheidungen beschimpft oder bestraft werden kann, sei ein Thema eben nicht privat, sondern politisch.
Julia Brandner: „I’m not kidding. Warum ich keine Kinder möchte und dafür keine Entschuldigung brauche“ Komplett-Media. 208 Seiten. 24 Euro
Frauen mit Kinderwunsch müsse die Umsetzung ebenso erleichtert werden, sagt Brandner, die die Sorgen junger Eltern aus ihrem Umfeld kennt. „Ich merke, wie vor allem Mütter vom System allein gelassen werden. Das mit dem Karenzgeld ist ein Witz! Man hat weniger Geld zur Verfügung, aber einen zusätzlichen Menschen zu versorgen. Diese Rechnung kann nicht aufgehen.“
Auch Väter sollte man mehr in die Pflicht nehmen, findet sie. „In skandinavischen Ländern müssen sich Mütter und Väter die Elternzeit teilen. So wird es auch für Arbeitgeberinnen und -geber normal, dass Väter ebenso für ihre Kinder verantwortlich sind.“
Rückgang Zwischen 2009 und 2023 ist der erhobene Kinderwunsch laut dem Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) von 2,1 auf 1,7 Kinder pro Frau gesunken. Etwa 23 bis 24 Prozent der ab 1990 Geborenen bleiben in Österreich kinderlos, prognostizieren die Forscher
Diskrepanz Laut einer Parship-Studie von 2024 empfinden 65 Prozent der kinderlosen Frauen die Entscheidung gegen Kinder als gesellschaftlich weniger akzeptiert, wenn sie eine Frau äußert, als wenn sie von einem Mann stammt
Gründe Drei Viertel der 18- bis 29-Jährigen halten Klimakrise und gesamtgesellschaftliche Entwicklungen davon ab, Kinder zu wollen. Auch Angst vor der Geburt sowie allgemein kein Bezug zu Kindern spielen dabei eine Rolle
(kurier.at, jup)
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