Tablet und Breitband für jeden Schüler

Schon Volksschüler sollen digital lernen.
Schule wird digital. Warum und wie die Regierung neue Technologien österreichweit etablieren will.

Tablets statt Tafel: Österreichische Klassenzimmer werden digitaler, wofür die Regierung viel Geld in die Hand nimmt. Bis 2020 soll jede Schule mit Breitband und jeder Schüler mit Tablet bzw. Laptop ausgestattet sein. So stellt das Infrastrukturministerium bis 2020 eine Milliarde Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung. Derzeit sind noch 1300 Schulen ohne Breitband.

In absehbarer Zeit sollen alle Volksschüler den Umgang mit Technik und neuen Medien lernen. Die Kompetenzen werden in der achten Schulstufe mit dem „digi.check“ überprüft. Digitalisierung ist auch Teil der neuen Lehrerausbildung – für Lehrer im Beruf gibt es Kurse.

Die nötige Infrastruktur wird geschaffen, ein Finanzierungsmodell soll im Sommer stehen. Geplant ist, dass alle Schüler in der 5. Schulstufe ein Tablet und in der 9. ein Notebook erhalten. Schulen werden mit W-Lan ausgestattet, hiefür sind in einer ersten Tranche 9 Millionen Euro veranschlagt, 90 Prozent kommen vom Infrastrukturministerium, 10 Prozent von den Kommunen. Kostenfreie Lerntools werden zur Verfügung gestellt.

Im Interview sprechen Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und Infrastrukturminister Jörg Leichtfried darüber, welche Kompetenzen junge Menschen im Umgang mit neuen Technologien benötigen und welche Aufgabe die Schule dabei hat.

Tablet und Breitband für jeden Schüler
Doppelinterview mit Jörg Leichtfried und Sonja Hammerschmid am 16.02.2017 in Wien.
KURIER: Viele Schüler können weder gut lesen noch rechnen. Sollte man den Fokus nicht eher darauf legen als auf Digitalisierung?

Sonja Hammerschmid: Die Digitalisierung kann den Erwerb dieser Grundkompetenzen unterstützen. Kritikern sage ich: Schauen Sie sich das in den derzeit 560 Expertenschulen an, die sich damit auseinandersetzen. Die sollen jetzt ihre Erfahrungen weitergeben. Das Thema Neue Medien ist jedenfalls in Gesellschaft und Arbeit angekommen, und wir müssen uns fragen: Was heißt das für die Schule und unsere Kinder? Sie müssen entsprechend geschult werden, sodass sie digitale und mediale Grundkompetenzen entwickeln. Weil Technologie sehr schnell veraltet, müssen Kinder lernen, wie sie ein Leben lang damit umgehen können. Das ist die Herausforderung.

Jörg Leichtfried: Vorarlbergs Wirtschaft ist ein Beispiel, warum das notwendig ist. Vor zehn Jahren war dort noch zu 70 Prozent klassische Textilindustrie. Dann hat es einen massiven Innovationsschub gegeben, jetzt werden dort z. B. Fensterrahmen für Airbus aus Carbon-Fasern gestickt. Warum? Die Unternehmen sind in der ganzen Wertschöpfungskette in die Industrie 4.0 eingetreten. Damit kann man vom Abbau am Erzberg bis zur Hightech-Schraube in der Zylinderkopfdichtung alles nachverfolgen. Um mit einem durch und durch digitalisierten Arbeitsplatz umgehen zu können, muss man mit der Technologie aufwachsen. Deshalb muss das Verstehen spätestens in der Schule beginnen. Wir werden die Digitalisierung schnell angehen und Netze ausbauen. Denn ohne Breitband ist der beste Laptop nur ein besseres Jausenbrettl.

Sie statten Schulen mit Tablets aus, die sehr schnell veraltet sein werden. Ist das eine sinnvolle Investition, wo heute jedes Kind ein Smartphone hat?

Hammerschmid: Für Lehrer ist es einfacher, mit einheitlichen Geräten umzugehen, wenn sie standardisierte Lerntools haben. Auch die soziale Komponente ist mitzubedenken – nicht jeder kann sich ein modernes Gerät leisten. Es geht aber nicht nur um die Hardware. Nötig sind gute Lernmaterialien und eine gute Ausbildung der Pädagogen. Pflichtschullehrer sind schon jetzt zu 15 Stunden Weiterbildung verpflichtet, im Autonomiepaket wollen wir Weiterbildung als Standortthema sehen. Ein tolles Beispiel ist die NMS Koppstraße in Wien, wo ein Lehrer dafür gebrannt und Kollegen angesteckt hat, sodass jetzt in allen Fächern damit gearbeitet wird. Mit neuen Tools kann auf jedes Kind besser eingegangen werden.

Werden Sie digitale Lernmaterialien zentral zur Verfügung stellen?

Hammerschmid: Es gibt hier zwei Ebenen: Die Schulbuchverlage bieten mit eBook-plus eine neue Generation mit interaktiven Materialien an. Und wir haben bereits jetzt einen Schatz an Materialien gefunden, der von Lehrern entwickelt wurde. Unsere Aufgabe ist es, diese möglichst bald zusammenzufassen, eine Qualitätssicherung zu machen und ein Portal zu schaffen, damit es die Lehrer leicht finden. Dazu werden die Lerndokumente der Pädagogen verschlagwortet. Das soll in den nächsten Wochen passieren.

Leichtfried: Die Innovation der Pädagogen ist Voraussetzung für die Innovation in der Wirtschaft. In Unternehmen bieten wir Kurse an, wo Arbeitnehmer eine Datenbrille aufgesetzt bekommen, um so einen Produktionsablauf durchspielen zu können. Darauf müssen wir die Jugend vorbereiten.

Wie sollen Lehrer wissen, wie sie die Digitalisierung umsetzen?

Hammerschmid: Die virtuelle Pädagogische Hochschule ist das Instrument der Weiterbildung. Diese bietet ein breites Angebot an Online-Kursen, die jederzeit verfügbar sind.

Ziel ist es, dass bereits in der Volksschule digitale Bildung stattfinden soll. Welcher Unterricht soll dafür wegfallen?

Hammerschmid: Die Digitalisierung wird Teil der Lehrpläne werden. Da gibt es tolle Möglichkeiten, mit Lernspielen zu üben, weshalb wir Volksschulen Tablet-Koffer für jeweils einen Monat zur Verfügung stellen. Später, in der Unterstufe, wird es zwei bis vier verpflichtende Wochenstunden geben. Wie die Schule das umsetzt, kann sie selbst entscheiden. Sie kann schulautonom ein eigenes Fach einführen oder digitale Kompetenzen fächerübergreifend als Unterrichtsprinzip unterrichten. In der Koppstraße wurde in der ersten Klasse das Fach Medienkompetenz eingeführt, später ist es ein Unterrichtsprinzip. Da geht es nicht nur um Grundkenntnisse der Technologie – Stichwort Coding –, sondern auch um die Frage, wie ich Inhalte im Netz bewerte.

Leichtfried: Das spielerische Heranführen ist Voraussetzung dafür, moderne Produktionsprozesse zu verstehen und abzuwickeln. Auf einem Display herumwischen ist viel zu wenig. Man muss verstehen, wie Programmieren funktioniert. Wir haben das Ziel, Österreich zu einem Top-Land in Sachen Digitalisierung zu machen. Derzeit sind wir weltweit schon auf Platz 12, aber wir wollen zu den Top 3 gehören. Darum investieren wir 30 Millionen Euro, um Schulen sowie Klein- und Mittelbetrieb schnell mit Breitbandinternet zu versorgen. Die Stärke unseres Landes war immer die Innovationskraft. Wir haben die besten Facharbeiter, damit waren wir immer besser als die anderen.

In der HTL wird Coding auf hohem Niveau gelehrt. Anders in den AHS und NMS. Soll sich das ändern?

Hammerschmid: Das sind Prozesse, die in Bewegung sind. Wir definieren Kompetenzraster und Testinstrumente in der 4., 8. und 12. Schulstufe, die Grundkenntnisse im Coding und im Verstehen von digitalen Prozessen überprüfen. Dass berufsbildende Schulen da weit vorne sind, ist sinnvoll, aber auch die AHS soll Grundwissen vermitteln.

Leichtfried: Ich hatte eine Diskussion mit Professoren einer Handelsakademie, die sich bisher nicht sonderlich mit Digitalisierung beschäftigt hatten. Während des Gesprächs wurde klar, dass Digitalisierung gerade in einer HAK wichtig ist, weil die Absolventinnen und Absolventen ein Scharnier zwischen Technik und Wirtschaft sein können. Ein Beispiel: Im Silicon Valley ist die Vermarktung genauso wichtig wie das eigentliche Produkt – die Kombination dieser Fähigkeiten, da müssen wir besser werden.

Lassen sich Schüler nicht sehr im Unterricht durch soziale Medien ablenken?

Hammerschmid: Mit neuen Lernmaterialen kann der Lehrer besser verfolgen, was ein Kind macht – da hat sich technologisch viel getan. Mit neuen Lernprogrammen wird auch die Spiellust eine andere Geschichte. Was keinesfalls passieren darf, ist, dass wir komplett und nur im Digitalen lernen, es geht darum, neue Technologien richtig einzusetzen.

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