Neue Regelungen für Abschlussarbeiten: Hochschulen reagieren auf ChatGPT und Co.

Neue Regelungen für Abschlussarbeiten: Hochschulen reagieren auf ChatGPT und Co.
Das Augenmerk soll zukünftig vermehrt auf den Schreibprozess und die akademische Diskussion gelegt werden.

Programme wie der Sprachbot ChatGPT, durch die auch Laien mit Künstlicher Intelligenz schnell und einfach maßgeschneiderte Texte formulieren lassen können, sorgen für Änderungen bei den Abschlussarbeiten an den Hochschulen.

An Unis und Fachhochschulen soll künftig weniger das schriftliche Endprodukt, sondern der Forschungs- und Schreibprozess im Zentrum stehen. Gleichzeitig sollen die Studierenden einen verantwortungsvollen Umgang mit der KI erlernen.

"Der springende Punkt ist die Eigenständigkeit der Arbeit."

Schon in den vergangenen Jahren hätten die Unis verstärkt Aufmerksamkeit auf den Schreibprozess gelegt, betonte Christa Schnabl, Vizerektorin der Universität Wien und Vorsitzende des Forums Lehre in der Universitätenkonferenz (uniko). Immerhin sei KI weder in der Lehre noch in der Forschung neu. Der neue Hype um Programme wie ChatGPT verstärke nun weiter die Entwicklung, dass der Gesamtprozess (also etwas das Finden der Themenstellung, Recherche, Präsentation der Ergebnisse) mehr in den Blick genommen wird. "Insgesamt ist das eine positive Entwicklung", befand Schnabl gegenüber der APA.

Auch an den FHs wird der Begleitprozess zum Schreiben und die Reflexion in der Gruppe über das, was geschrieben wird, "viel wichtiger", so die Erwartung von Andreas Breinbauer, Rektor der FH des BFI Wien und Sprecher des Ausschusses Lehre in der Fachhochschulkonferenz (FHK). Die Verteidigung der Bachelor- und Masterarbeiten werde wohl ebenfalls intensiviert und ausgebaut, um ein Vortäuschen wissenschaftlicher Leistungen schwerer zu machen, so Breinbauer im Gespräch mit der APA. "Der springende Punkt ist die Eigenständigkeit der Arbeit."

KI-Detektionssoftware stößt rasch an ihre Grenzen

Auch die Themenstellung werde sich an den FHs ändern müssen, eine reine Literaturarbeit werde es eher nicht mehr geben. "Das ist sinnlos, das kann die KI besser." Stattdessen werde es mehr in Richtung Problemstellungen, Anwendungen und eigene Fallstudien gehen - wobei Breinbauer auch hier mittelfristig Probleme durch die KI kommen sieht. Denn auch Daten und Interviews könne man fälschen - und das herauszufiltern werde "sehr, sehr schwierig". Schon jetzt sei die Herausforderung groß, denn anders als bei Software zur Erkennung von Plagiaten stoße die KI-Detektionssoftware rasch an ihre Grenzen. An seiner FH werde trotzdem ein solches Programm eingesetzt - "auch um zu signalisieren, dass wir uns das anschauen". Ähnliche Pläne gebe es auch an den anderen FHs.

Uni Wien-Vizerektorin Schnabl ist hier reservierter, immerhin seien die Instrumente für die Generierung der Texte über KI dieselben wie die zur Detektion eingesetzten. "Das ist ein Zirkel, in den man sich da hineinbegibt." Entscheidend werde ohnehin sein, dass die Lehrpersonen aufgrund ihrer Erfahrungen in der Lehrveranstaltung oder bei Prüfungen einschätzen, ob die abgegebene Arbeit eine eigenständige Leistung ist. Bei Zweifeln kann bei Bachelorarbeiten neben Diskussion in der begleitenden Lehrveranstaltung noch eine Präsentation verlangt werden. Ab der Masterarbeit ist eine Defensio ohnehin Pflicht. An den FHs ist bereits beim Bachelor standardmäßig eine Präsentation vorgesehen.

Künstliche Intelligenz wird bewusst in den Arbeitsprozess integriert

Wie Abschlussarbeiten konkret an die neuen Herausforderungen durch KI angepasst werden können, sieht man etwa im Studienbereich Management und Entrepreneurship an der FH Wien der WKW: Dort muss zwar weiterhin jeder und jede Studierende eine eigenständige Bachelorarbeit verfassen. Ab dem kommenden Studienjahr wird aber am Ende am Beurteilungssheet neben der Arbeit selbst auch der Erstellungsprozess stärker einfließen. Die Entwicklung der Bachelorarbeiten wird dafür noch stärker in kleinere Aufgaben aufgeteilt, z.B. Tests für Theorieeinheiten oder Entwicklung von Konzepten und Fragestellungen, die dann in der Gruppe präsentiert und diskutiert werden. Der KI werde dabei "nicht ausgewichen", betonte FH-Rektorin Beate Huber in einer schriftlichen Stellungnahme. Sie werde vielmehr in gewissen Phasen der Entwicklung der Arbeit aktiv genutzt - "jedoch immer in kontrollierter Art und Weise und kritisch reflektiert". Der Einsatz müsse außerdem nach den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis offengelegt und kritisch hinterfragt werden.

Regelungen werden ständig verfeinert

Eine Diskussion, schriftliche Abschlussarbeiten wegen der neuen Herausforderungen durch KI-Programme komplett abzuschaffen, gibt es an den Hochschulen zumindest derzeit noch nicht. Stattdessen setzen die FHs laut Breinbauer auf Regelungen für den KI-Einsatz auch mit Blick auf Herausforderungen wie Urheberrecht, Datenschutz, Verzerrungen bei Gender und Diversität und gleichberechtigtem Zugang zur neuen Technologie (Stichwort: kostenlose- und Bezahlvariante). Diese würden ständig verfeinert. Die Uni Wien hat sich ebenfalls umfangreiche Guidelines für den Umgang mit KI in der Lehre gegeben, auch auf den Homepages anderer Universitäten findet man Handreichungen zum Thema.

In erster Linie geht es darin auch darum, wie man Künstliche Intelligenz sinnvoll und verantwortungsbewusst nutzen kann. Immerhin seien Umgang und Verwendung von KI zu einer Schlüsselkompetenz geworden und man wolle die Studierenden optimal auf ihr Berufsleben vorbereiten, betonte Breinbauer. Die Künstliche Intelligenz könne Lehrenden und Studierenden immerhin viel Arbeit abnehmen, etwa durch Strukturierung von Daten oder das Erstellen von Grafiken.

An den Unis werde es vom jeweiligen Fach abhängen, welche Art von KI-Einsatz jeweils als legitim angesehen wird und wie intensiv die Programme dann auch in der Lehre zum Einsatz kommen, so Vizerektorin Schnabl. Fest stehe aber: "Es ist unsere Aufgabe als Universität, einen konstruktiv-kritischen Umgang damit einzuüben." Das sei auch grosso modo die Linie der anderen Universitäten.

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