"Darm mit Charme"-Autorin bekommt Oberhummer-Award
KURIER: Glückwunsch zum Oberhummer-Preis, Frau Enders! Allerdings ist das nicht die erste Auszeichnung, die Sie in Österreich erhalten. "Wer hätte gedacht, dass man mit einem mutigen Blick durchs Arschloch bis nach Wien schauen kann.", meinten Sie damals in Ihrer Dankesrede. Würden Sie so einen Scherz nochmals machen?
Enders: Ich bereue nichts. Jeder, der den Humor in meinem Buch kennt, hat auch kein Problem damit. Außerdem ist Lachen etwas Gutes. Ich finde es aber blöd, wenn der Fokus auf Klo-Geschichten liegt. Das ist nur ein kleiner Teil meines Buches. Wichtiger ist es mir, über ein Organ zu erzählen, über das viele erstaunlich wenig wissen. Und dass man erkennt, dass Darm und Ausscheidung mehr sind, als nur eine Peinlichkeit.
Es wird immer klarer, dass der Darm komplexer und wichtiger ist, als angenommen. Das geht bis zu Darm-Hirn-Verbindungen. Steuert uns der Darm und nicht das Gehirn?
Der Darm ist der wichtigste Berater des Gehirns und eine zentrale Anlaufstelle bei allen Körper-Angelegenheiten. In der Evolution ist das Darmhirn daher auch vor dem Kopfhirn entstanden. Zuerst ist für jedes Lebewesen wichtig: Wie fühle ich mich, wie bin ich ernährt, und erst dann gibt es die Information nach oben ans Hirn, mit dem dann geniale Pläne geschmiedet werden.
Mittlerweile weiß man auch, dass zum Beispiel Depressionen ihren Ausgang im Darm haben können.
Ja, in der aktualisierten Neuauflage meines Darmbuches gibt es auch einen Zusatzteil zum Thema "Darm-Hirn-Verbindung". Als ich Darm mit Charme schrieb, gab es fast nur Studien an Tieren. Heute weiß man mehr darüber, was bei uns Menschen passiert, wenn es um unsere Laune, Stress oder depressive Verstimmungen geht. Diese Überlegungen fließen auch bei mir ganz privat ins Leben ein: Wenn ich mich unwohl fühle oder mir zu viele Sorgen mache, denke ich darüber nach, was ich gegessen habe oder, ob ich mich besonders gestresst habe. Das Gute: Der Darm ist – im Gegensatz zu den Genen – relativ einfach zu beeinflussen – er wirkt auf Körpergewicht, Stoffwechsel-Erkrankungen, Stimmung. Man braucht sich nur gut zu ernähren und Bakterien zuführen, um sich besser zu fühlen – das ist eine gute Botschaft.
Sie gehen sogar so weit, die zunehmende Wut vieler Menschen damit in Verbindung zu bringen, dass ihr Darm nicht im Gleichgewicht ist.
Es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass falsche oder fehlende Bakterien im Darm so eine Wirkung auf die Psyche haben können. Ich denken schon, dass man nicht nur politisch schauen muss, was verändert werden kann. Man muss sich fragen, warum so viele Menschen innere Unruhe verspüren und ängstlich sind.
Der ewige Appell an die Vernunft muss also hinterfragt werden?
Ich finde Vernunft recht charmant. Aber wir bestehen nicht nur aus Vernunft, denn sonst würden wir nicht schlafen müssen, nicht essen müssen und nicht aufs Klo gehen müssen.
Giulia Enders gewann mit ihrem Beitrag "Darm mit Charme" noch als Medizinstudentin 2012 den ersten Preis bei einem Science Slam. Das 2014 daraus entstandene Sachbuch wurde das erfolgreichste unserer Zeit. 2,2 Millionen Mal wurde es allein im deutschsprachigen Raum verkauft, verlegt wird es in 40 Ländern.
Zum PreisDer Heinz Oberhummer Award soll nationale und internationale Wissenschaftler anspornen, es dem Physiker und Science Buster gleich zu tun und ihre Faszination für Wissenschaft mit einem großen Publikum zu teilen. Der mit 20.000 Euro und einem Glas Alpakakot dotierte Preis wird am 25. November 2017 im Wiener Stadtsaal verliehen.
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