Zero Covid: Warum diese Strategie auf Dauer nicht funktioniert
China verzeichnet derzeit die höchsten (offiziellen) Zahlen an täglichen gemeldeten Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie. "Eine Zero-Covid- bzw. eine Niedriginzidenz-Strategie ist keine langfristige, nachhaltige Lösung", sagt der Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub (CSH) in Wien.
"Man muss sich Gedanken um einen Exit, einen Ausstieg, machen." Ziel sei doch, die Inzidenzen möglichst lange niedrig zu halten, bis durch Impfungen eine ausreichende Immunität aufgebaut ist, um schrittweise öffnen zu können.
Viele andere Länder, die ähnliche Strategien fuhren, etwa Australien, Neuseeland oder skandinavische Staaten wie Dänemark, haben spätestens mit dem Auftreten von Omikron einen Ausstieg gesucht, sagt Klimek: „Weil die Durchimpfung mit effektiven mRNA-Impfstoffen hoch genug war und mit Omikron keine Überlastung der Intensivstationen mehr zu befürchten war.“
China sei durch drei Faktoren in der Zwickmühle: Sehr wenige Infektionen bisher; eine wahrscheinlich geringere Wirksamkeit der chinesischen Impfstoffe gegen Omikron und eine niedrigere Booster-Rate (3. Impfung) als andere Länder vor einem Strategiewechsel hin zur Öffnung. Nur 40 Prozent der Über-80-Jährigen haben in China eine dritte Impfung, bei den über-60-Jährigen sind es zwei Drittel. Geimpft wurde bisher nur mit chinesischen Impfstoffen – am bekanntesten sind die Totimpfstoffe von Sinopharm und Sinovac. Von diesen sind aber noch keine speziellen Omikron-Booster verfügbar.
Spezielle Omikron-Booster sind noch in der Studienphase, auch die Entwicklung eigener, chinesischer mRNA–Impfstoffe läuft noch.
Ausländische Impfstoffe sind in China noch keine zugelassen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seinem Besuch in Peking Anfang November aber die Zusage erhalten, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer zumindest für in China lebende Ausländer zugelassen werden soll. Allerdings gab es am Montag Medienberichte, wonach in Hongkong auch der Omikron-Booster von Biontech allgemein verfügbar sein soll.
Weniger Wirkung
Zum Problem für China werde auch, dass Maßnahmen wie Lockdowns oder Ausgangsbeschränkungen „umso mehr an Wirksamkeit verlieren, je öfter und länger man sie anwendet – weil eben die Bevölkerung nicht mehr bereit ist mitzumachen“, sagt Klimek.
Wichtig wäre daher, die Impfrate rasch stark zu erhöhen bzw. auch auf effektivere westliche mRNA-Impfstoffe zu setzen. „Oder man nimmt gesundheitliche Schäden der Bevölkerung in Kauf – aber andere Möglichkeiten gibt es nicht.“
Erst kürzlich äußerte sich der deutsche Virologe Christian Drosten in einem Zeit-Interview besorgt über die Situation in China. Denn das Land sei in einer ganz besonderen Situation. „Das Virus kann sich immer dann besonders gut entwickeln, wenn es sehr viele Infektionen gibt. Und das könnte in China bald der Fall sein.“
Weltweit sei die Immunität recht homogen verteilt, in Industrieländern durch Infektionen dem Boden der Impfung, in ärmeren Ländern sogar durch mehrfache Infektion der Bevölkerung. In China sei dies jedoch nicht der Fall. „Ich würde nicht ausschließen, dass dort in puncto Evolution noch einmal ein Sprung passiert. Ich erwarte es aber nicht in nächster Zeit.“
Kommentare