Eine männliche Hyalomma-Zecke (rechts) liegt neben einer Auwaldzecke der Gattung Buntzecken. Hyalomma-Zecken sind deutlich größer als heimische Zecken, sie kommen auf eine Größe von bis zu zwei Zentimetern. Und sie haben braun-gelb gestreifte Beine.
Die aktuellen Temperaturen holen Zecken aus ihrer Winterstarre. Neue Studien legen nahe, dass Krankheitserreger wie das FSME-Virus die Blutsauger auf interessante Art stärken.
Der Frühling steht in den Startlöchern – und damit auch die Zecken. "Wir haben schon die ersten Meldungen, dass Zecken unterwegs sind", sagt Georg Duscher, Zecken-Experte der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).
Der Parasitologe ist keineswegs überrascht: "Wenn die Temperaturen auf über fünf Grad steigen, geht die Zeckenaktivität los."
Seit einigen Jahren setzt die Zeckensaison deutlich früher ein als noch in den Jahrzehnten zuvor. "Wegen der klimatischen Veränderungen muss man teils im Winter, wenn es ganz mild ist, mit ihnen rechnen", weiß Duscher. Richtig wohl fühlt sich der Großteil der heimischen Zecken erst bei 15 bis 20 Grad. Wird es zu heiß und trocken, ziehen sie sich zurück.
In Deutschland gab es heuer jedenfalls schon erste Fälle von FSME. Sogar in den ersten Jännerwochen wurden laut Fachleuten Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis registriert. Bei einer Inkubationszeit von drei Wochen legt das eine Ansteckung im Dezember nahe, mitten im Winter also. Das FSME-Virus wird hauptsächlich durch den Stich von infizierten Zecken auf Menschen übertragen. "Sobald Zecken aktiv werden, können sie auch Krankheiten übertragen", fasst Duscher zusammen.
Krankheitserreger, die Zecken in sich tragen, betreffen nicht nur den Menschen. "Sie beeinflussen auch die Zecke selbst – im für sie positiven Sinn", sagt Duscher. Vermutet wird etwa, dass das FSME-Virus Zecken resistenter gegenüber Akariziden (Gift das gegen Zecken eingesetzt wird, Anm.) macht. Neuere Forschungen legen nahe, dass Anaplasmen-Bakterien der Zecke bei der Bildung eines Anti-Frost-Proteins helfen. "Diese Frostschutzproteine besitzen auch Polarfische", erläutert Duscher. "Bei Zecken führen sie dazu, dass sie den Winter eher überleben und früher im Jahr aktiv werden."
Gelangen Anaplasmen in den menschlichen Körper, kann eine fieberhafte Anaplasmose-Erkrankung die Folge sein. Fälle von humaner Anaplasmose sind in Österreich dokumentiert, "treten aber im Vergleich zu Borreliose sehr selten auf", sagt Duscher. Auch die bakterielle Borreliose wird durch Zecken übertragen. Eine vorbeugende Impfung gibt es, im Unterschied zu FSME, nicht. Dafür kann eine Borreliose, wie auch die Anaplasmose, in der Regel gut antibiotisch behandelt werden.
Im Zuge des österreichweites Zecken-Monitoring-Projekts "Zecken entdecken zu Forschungszwecken" werden kontinuierlich Daten über Zeckenarten in Österreich und deren Krankheitserregern gesammelt. Georg Duscher und die Abteilung für Vector-Borne Diseases der AGES freut sich auch heuer wieder über Rückmeldungen aus der Bevölkerung.
Sobald man eine Zecke findet, kann man sich beteiligen, sofern die Zecke nicht zerquetscht ist und Daten zum Fund- oder Entfernungsdatum, zum Fundort und zum potenziellen Wirt verfügbar sind. Gefundene Zecken können ausbruchssicher verpackt (z. B. mit Klebeband auf einem Stück Papier in einem Kuvert) an AGES-Standorten abgegeben oder nach Wien geschickt werden (Währinger Straße 25a, 1090 Wien).
Wie groß ist die Gefahr, sich in Österreich mit FSME oder Borreliose anzustecken? "Bei FSME haben wir eine Fleckerlteppich-Situation", schildert Duscher. "Die einzelnen Infektionsherde sind meist auf die Größe eines Fußballfeldes begrenzt", umreißt der Experte. Hat man das Pech, im Herd gestochen zu werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man mit dem Virus in Kontakt kommt. Bei der Borreliose ist es anders: Jede vierte bis fünfte Zecke ist in Österreich positiv. Das verantwortliche Bakterium befindet sich im Darm der Zecke. Bei einer Blutmahlzeit werden sie "aktiviert" und wandern dann erst in die Speicheldrüsen der Zecke, bevor sie mit dem Zeckenspeichel abgegeben werden können. "Das dauert aber ein wenig", sagt Duscher, der dazu rät, Zecken nach einem Stich rasch zu entfernen.
Ganz Österreich gilt als das Risikoland für Zecken und gehört zu den am stärksten von FSME betroffenen Ländern in Zentraleuropa. Der Grad der Zeckendichte ist sowohl von der Landschaft als auch von der Verfügbarkeit von Wirten und den Vorlieben der vorkommenden Zeckenarten abhängig. "Wenn wir eine naturbelassene Landschaft mit vielen Wirten wie Mäusen, Eichhörnchen, Igeln, Füchsen, Mardern oder Rehen haben, kann die Dichte sehr hoch werden."
Der Bestand des Gemeinen Holzbocks, der in Österreich verbreitetsten Art, sei in manchen Teilen Europas rückläufig. "Weil es dort zu trocken und warm ist." In Österreich sei man noch nicht an diesem Punkt: "Außerdem kommen durch den Klimawandel andere Arten zu uns und finden hier passende klimatische Bedingungen."
"Riesenzecke" bringt auch neue Infektionskrankheiten
Bei den invasiven Arten wird vor allem über die Hyalomma diskutiert. Aufgrund ihrer Größe wird sie auch als "Riesenzecke" tituliert. Die Hyalomma-Zecken mit gestreiften Beinen stammen eigentlich aus trockenen Gebieten Asiens und Afrikas. Im Süden Europas sind sie seit geraumer Zeit heimisch. Bislang ging man davon aus, dass die Hyalomma über Zugvögel nach Österreich eingeschleppt wird. Im Zuge des Zecken-Monitorings der AGES stieß Duschers Arbeitsgruppe vergangenes Jahr auf eine interessante Erkenntnis: "Neben Zugvögeln als Einbringer werden Riesenzecken auch von Urlaubsreisenden aus dem mediterranen Raum nach Österreich gebracht." Die Zecken würden an Badesachen haften und im Koffer und Auto mitreisen.
Werden andere Arten bei uns heimisch, rücken auch neue Infektionskrankheiten näher. Die Hyalomma kann beispielsweise Träger von Rickettsien sein, die eine bakterielle Infektion, das Zeckenstichfieber, beim Menschen auslösen. In Deutschland wurde 2019 bereits ein Verdachtsfall gemeldet. Dank Antibiotika-Therapie verlief er allerdings glimpflich. Riesenzecken sind auch Überträger des Krim-Kongo-Fieber-Virus, das auch von Mensch zu Mensch übertragbar ist. In fünf bis 30 Prozent der Fälle endet die fiebrige Erkrankung tödlich. In Österreich wurden bislang keine Fälle dokumentiert. Mit zunehmender Verbreitung der Hyalomma rechnet Duscher jedenfalls damit: "Zuerst kommen die Vektoren und siedeln sich an, dann – mit einigem Abstand – die Erreger."
Ruhig geworden ist es um die Braue Hundezecke aus dem mediterranen Raum. "Vor rund 15 Jahren hatten wir das Thema, dass diese Art über Hunde aus dem Süden eingeschleppt wurde. Inzwischen sehen wird die Gattung nicht mehr so häufig. Dennoch sollte man bei Urlaubsreisen mit Hund auf Zeckenschutz achten."
Zum Start der Zeckensaison bietet es sich an, den Impfpass auf einen aufrechten FSME-Schutz zu prüfen. Bei unklarer Impfgeschichte ist eine Auffrischung empfohlen.
Wer draußen in der Natur und im Unterholz unterwegs ist, sollte lange Kleidung tragen und die Hose in Socken oder Schuhe stecken. "Dann finden die Zecken den Weg unter die Kleidung nicht so leicht", sagt Duscher. Nach Wanderungen rät er, sich selbst und auch Hunde gründlich nach den Zecken abzusuchen. Denn: "Je früher man die Zecke entfernt, umso besser."
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