Psychologische Wegwerf-Methode: Wie sich Wut entsorgen lässt

Eine Frau schreit vor Wut.
Wer nicht vor Wut platzen möchte, braucht ein Ventil. Vor Groll strotzende Gendanken zu Papier zu bringen – und dieses mit geballter Faust zu entsorgen –, könnte beim Abbau der Erregung hilfreich sein.

Atemübungen, Stressbälle, kaltes Wasser auf den Pulsadern: Um Ärger im Alltag in den Griff zu bekommen, gibt es viele Strategien. Ein Blatt Papier dürfte es auch tun, wie Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus Japan nun herausgefunden haben.

Konkret konnte ein Team der Universität Nagoya demonstrieren, dass das Niederschreiben negativer Gedanken und das anschließende Zerknüllen oder Schreddern des Schriftstückes das Dampfablassen erleichtert.

Veröffentlicht wurde die Studie im Fachblatt Scientific Reports. Basis der Forschungen sind bereits existierende psychologische Erkenntnisse, die belegen, dass das Verschriftlichen wütender Gemütszustände beim Abbau dieser helfen kann. Sowie Erkenntnisse, die zeigen, wie Interaktionen zwischen Mensch und Objekt die Stimmung beeinflussen können. So konnte etwa nachgewiesen werden, dass das Verbrennen von Briefen oder Geschenken Rachegefühle gegenüber ehemaligen Liebespartnern besänftigen kann.

Dass die Schreib-Schredder-Methode sich nun als ähnlich wirksam erwies, könnte mit dem Phänomen der "rückwärts gerichteten magischen Ansteckung" zusammenhängen. Es beschreibt den Glauben, dass Handlungen, die an einem mit einer Person verbundenen Objekt vorgenommen werden, die Personen selbst beeinflussen. 

Im besagten Fall führt die Beseitigung eines negativ aufgeladenen Gegenstandes, des Papiers, dazu, dass die Ausgangsemotion verschwindet.

Experimente, um Wut zu entfachen

Um die Hypothese zu testen, wurden fünfzig studentische Teilnehmende gebeten, kurze Stellungnahmen zu einem gesellschaftlichen Dilemma zu verfassen, beispielsweise ob Rauchen in der Öffentlichkeit verboten werden sollte. Infolge wurden die Beiträge absichtlich schlecht bewertet. Mit beleidigenden Kommentaren zu den Texten trieb man die Demütigung auf die Spitze. Etwa mit Sätzen wie: "Ich kann nicht glauben, dass ein gebildeter Mensch so denkt. Ich hoffe, diese Person lernt etwas, während sie an der Universität ist". Mit dem Ziel, Wut zu entfachen.

Die gepiesackten und nachvollziehbarerweise verärgerten Männer und Frauen wurden angehalten, ihren Zorn über das negative Feedback auf Papier zu verewigen. Eine Gruppe durfte das Papier zusammenrollen und in einem Mülleimer entsorgen oder musste es in einem Ordner auf dem Schreibtisch einordnen. Eine zweite Gruppe sollte das Papier schreddern oder in eine Plastikbox legen. 

Es zeigte sich: Der Wutpegel jener, die ihr Papier in den Mülleimer warfen oder es schredderten, kehrte auf den Ausgangszustand zurück. Während bei denjenigen, die das Papier aufbewahrten, die Wut nur geringfügig abnahm.

Übertragbarkeit der Ergebnisse ist fraglich

"Wir hatten erwartet, dass unsere Methode die Wut bis zu einem gewissen Grad unterdrücken würde", wird Nobuyuki Kawai, leitender Forscher, im Guardian zu seinen Erkenntnissen zitiert. "Wir waren jedoch erstaunt, dass die Wut fast vollständig beseitigt wurde."

Neben praktischem Nutzen könnte die Entdeckung auch Aufschluss über die Ursprünge der japanischen Kulturtradition namens "Hakidashisara" geben. Hakidashisara ist ein jährliches Fest, bei dem die Menschen kleine Scheiben zerschlagen, die Dinge darstellen, die sie wütend machen. Die Ergebnisse der Studie könnten das Gefühl der Erleichterung erklären, von dem die Teilnehmende nach Verlassen des Festes seit jeher berichten, summieren die Forschenden.

Ob die Ergebnisse auch auf andere Bevölkerungsgruppen außerhalb des asiatischen Raumes übertragbar sind, ist allerdings unklar. Dagegen spricht etwa, dass dem Unterdrücken von Emotionen wie Wut und Aufgebrachtheit in asiatischen Kulturen weit bedeutsamer ist als in westlichen Ländern.

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