Woran Covid-19-Patienten wirklich starben

Woran Covid-19-Patienten wirklich starben
Laut einer kleinen US-Studie sei ein "Zytokinsturm" nicht ausschlaggebend, ob man an Covid-19 stirbt.

Obwohl mittlerweile viele Risikofaktoren wie Geschlecht, Alter, Gebrechlichkeit, Schwangerschaft oder Übergewicht bekannt sind, ist noch immer nicht restlos geklärt, warum manche Menschen an einem schweren und manche an einem milden Verlauf von Covid-19 erkranken.

Eine sehr kleine Studie aus Deutschland untermauerte vergangenes Jahr die Theorie um einen sogenannte Zytokinsturm: Das Immunsystem schießt über das Ziel hinaus und richtet mit dieser übersteigerten Reaktion teilweise größeren Schaden an als das Virus selbst.

Jetzt analysierte eine aktuelle US-Studie die Gesundheitsdaten von 585 Patienten auf der Intensivstation des Northwestern Memorial Hospital in Chicago: Bei allen wurden schwere Lungenentzündungen und Atemversagen diagnostiziert, 190 Patienten waren mit dem Coronavirus infiziert. Und kam zu einer anderen Erkenntnis.

Das Ergebnis: Bakterielle Sekundärinfektionen der Lunge (Lungenentzündung) waren bei Patienten mit Covid-19 extrem häufig und betrafen fast die Hälfte der Patienten, die mechanisch beatmet werden mussten. Wenn diese nicht abklingt, war die bakterielle Sekundärinfektion eine der Hauptursachen für den Tod von Patienten mit Covid-19. Die Wissenschaftler konnten keine Beweise dafür finden, dass Covid-19 einen "Zytokinsturm" verursacht, der zum Tod führt.

Die Studie wurde kürzlich im Journal of Clinical Investigation veröffentlicht. (Sie können die Studie hier auf Englisch nachlesen.)

Bakterielle Superinfektion

Die Bedeutung der bakteriellen Superinfektion der Lunge als Risikofaktor von Patienten mit Covid-19 wurde bisher unterschätzt, weil die meisten Zentren nicht danach gesucht hätten, so die Studienautoren. "Unsere Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, sekundäre bakterielle Lungenentzündungen bei schwerkranken Patienten mit schwerer Lungenentzündung, einschließlich solcher mit Covid-19, zu verhindern, zu suchen und aggressiv zu behandeln", sagt Lungen- und Intensivmediziner Benjamin Singer, Hauptautor der Studie und Professor für Medizin an der Northwestern University Feinberg School of Medicine.

"Diejenigen, die von ihrer sekundären Lungenentzündung geheilt wurden, hatten eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit, während diejenigen, deren Lungenentzündung sich nicht zurückbildete, mit größerer Wahrscheinlichkeit starben", so Singer. "Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Sterblichkeit im Zusammenhang mit dem Virus selbst relativ gering ist, dass aber andere Faktoren, die während des Aufenthalts auf der Intensivstation auftreten, wie die sekundäre bakterielle Lungenentzündung, dies ausgleichen."

Die Ergebnisse der Studie würden die Theorie des Zytokinsturms widerlegen, so Singer: "Der Begriff 'Zytokinsturm' bedeutet eine überwältigende Entzündung, die zu Organversagen in der Lunge, den Nieren, dem Gehirn und anderen Organen führt. Wenn der Zytokinsturm die Ursache für die lange Verweildauer wäre, die wir bei Patienten mit Covid-19 beobachten, dann würden wir erwarten, dass häufig Multiorganversagen eintreten würde. Das haben wir aber nicht gesehen."

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