Migräne: Wie eine Arznei neue Behandlungswege eröffnet

Millionen Menschen leiden weltweit an Kopfweh-Attacken.
Übelkeit und Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit, dazu Konzentrationsstörungen und Müdigkeit: Unter all diesen oder zumindest einigen dieser Beschwerden leiden Migräne-Patienten während einer Attacke.
Viele davon sind mehrmals pro Monat von den wiederkehrenden Beschwerden betroffen und können ihrem gewohnten Alltag nicht oder nur teilweise nachgehen.
➤ Mehr dazu: Warum Migräne während der Menstruation auftritt
Oft treten die Attacken zudem unvorhersehbar auf. Für Patienten sind daher Medikamente zur Vorbeugung von großer Bedeutung. Nun empfahl die britische Arzneimittelbehörde das Präparat Vydura (Wirkstoff Rimegepant) zur Vorbeugung von Migräne, berichtet The Guardian. Das Medikament wird oral (in Form einer Schmelztablette) jeden zweiten Tag eingenommen.
Auch für Akuttherapie
Das Präparat kann aber mehr: Es soll auch zur Behandlung während einer Attacke einsetzbar sein. "Es ist das erste Medikament, das sowohl zur akuten Therapie als auch zur Vorbeugung verwendet werden kann", erklärt Christian Wöber, Leiter der Kopfschmerzambulanz MedUni/AKH Wien.
Der Einsatz als Migräne-Prophylaxe darf allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Laut Empfehlung sollten es nur Erwachsene bekommen, die mindestens vier, maximal aber 15 Migräneanfälle pro Monat haben. Weitere Richtlinien zur Verschreibung sind derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen. Im Unterschied zur EU ist die Arznei in Großbritannien etwa nicht zur akuten Behandlung zugelassen. Auch der Einsatz als Migräne-Prophylaxe darf nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen.
Bisher beugten Betroffene ihren Attacken etwa mit Medikamenten wie Betablockern, Antidepressiva oder Epilepsiepräparaten vor.
Neue Wirkstoffgruppe
In den vergangenen Jahren hat sich in der Medikamentenentwicklung für Migräne vieles getan. Zur Prophylaxe werden seit einigen Jahren Antikörper eingesetzt, die sich gegen den Botenstoff Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) richten. Genau an diesem Botenstoff setzt auch Rimegepant an, erläutert Migräne-Spezialist Wöber. Rimegepant gehört zur neuen Gruppe der Gepante und greift in den Entstehungsmechanismus von Migräneattacken ein. Der Entwicklung gingen langjährige Studien voraus.
Zusätzliche Option
Medizinisch sieht Wöber Rimegepant "jedenfalls als Bereicherung". Es erhöhe die Chance, noch mehr Patientinnen und Patienten helfen zu können. Vor allem für bestimmte Fälle stehe damit eine zusätzliche Behandlungsoption zur Verfügung, "etwa für Patienten, die keine Triptane einnehmen dürfen oder bei denen die verfügbaren vorbeugenden Medikamente nicht geholfen haben".
Triptane werden zur Akutbehandlung der Migräne eingesetzt, wenn schmerzstillende Mittel die Attacke nicht innerhalb von zwei Stunden beenden. Aufgrund einer gefäßverengenden Wirkung sind sie aber bei Menschen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen nicht einsetzbar. Im Gegensatz zu den Triptanen hat Rimegepant keine gefäßverengende Wirkung.
Beschwerden
Bei Migräne treten anfallartige, pulsierende Schmerzen – meist halbseitig im Bereich von Stirn, Schläfe oder Auge – auf. Kurz vor der Attacke kommt es bei manchen Patientinnen und Patienten zu einer sogenannten Aura (Seh- oder Empfindungsstörungen). In Österreich leiden rund eine Million Menschen an dieser Form des Kopfschmerzes. Am häufigsten tritt die Migräne in der Altersgruppe von 20 bis 50 Jahren auf.
Nicht verwechseln
Spannungskopfschmerzen zeichnen sich durch dumpfes, drückendes, ziehendes Kopfweh aus, das periodisch auftritt und meist durch Verspannungen oder Stress verursacht wird. Clusterkopfschmerzen setzen in Attacken ein und meist im Schlaf ein. Die Anfälle sind mit einem starken Bewegungsdrang verbunden. Die Ursachen sind unklar.
Einen weiteren Hoffnungsschimmer bietet ein Nasenspray, das ab Juli in den USA zugelassen werden soll (der KURIER berichtete). Das Medikament namens Zavegepant ist unter dem Namen Zavzpret erhältlich. Es wurde vom Pharmakonzern Pfizer entwickelt und soll laut einer in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet Neurology veröffentlichten Studie Schmerzen und Symptome in relativ kurzer Zeit verbessern.
Durch die Einnahme als Nasenspray wird der Verdauungstrakt umgangen, auch die Wirkung kann schneller einsetzen. Dennoch sind weitere Studien notwendig, um die langfristige Sicherheit des Medikaments zu belegen. Mitunter traten Nebenwirkungen wie etwa eine Beeinträchtigung des Geschmackssinns auf.
Kommentare