Wie sich die Therapie von Covid-19 in einem Jahr verbessert hat
März 2020: An der Uni-Klinik für Innere Medizin III in Salzburg werden die ersten Covid-19-Patienten aufgenommen. „Wir waren in einer Verzweiflungssituation. Wir hatten kein Medikament gegen diese Infektion“, erinnert sich Klinikvorstand Richard Greil. Der Internist und Krebsspezialist ist Salzburgs führender Corona-Experte.
Unter ersten Studien aus China stößt er auf eine mit 26 Patienten, die ein Mittel aus der Krebs- und Rheumatherapie erhielten: Der Antikörper Tocilizumab wird dort eingesetzt, um überschießende Reaktionen des Immunsystems zu dämpfen. Organschäden können sonst die Folge sein, bei Krebs und Rheuma ebenso wie in der Spätphase einer Coronainfektion. „Die Resultate der Studie waren überzeugend, der Wirkmechanismus auch: also war es vertretbar, das Präparat auch ohne größere Datenbasis einzusetzen. Wir hatten damals 40 Patienten behandelt und den Eindruck, dass es hilft.“
Dieser Tage hat die größte Studie zu Covid-19-Therapien mit 4000 Patienten Greils damaligen Eindruck bestätigt: Das Medikament kann die Zahl der Todesfälle reduzieren, den Bedarf an künstlicher Beatmung senken und den Spitalsaufenthalt verkürzen.
Folgeschäden verhindern
Den größten Fortschritt 2020 brachte ein altes Medikament – Dexamethason, ein Cortison. Der Entzündungshemmer hat den stärksten nachgewiesenen Effekt auf die Verringerung der Todesfälle (ein Drittel bei Patienten an Beatmungsgeräten, 20 Prozent bei Atemunterstützung). „Wir können beide Präparate kombinieren und so den Effekt wahrscheinlich erhöhen.“
Entzündungshemmende Medikamente lindern die Folgeschäden einer fortgeschrittenen Virusinfektion: „Hingegen scheint es viel schwieriger zu sein, Therapien für die frühe Phase zu finden, in der es darum geht, die Vermehrung des Virus zu bremsen.“
Greil erinnert an „den unglaubliche Hype mit nachfolgender maximaler Enttäuschung“ zu dem virushemmenden Wirkstoff Remdesivir. „Die großen Hoffnungen haben sich nicht bestätigt. Aber wir setzen Infusionen bei einzelnen Patienten ein, sobald sie eine Sauerstoffunterstützung benötigen. Hier gibt es Anzeichen, dass die Virusvermehrung etwas gebremst werden kann. Effektiver könnte Remdesivir zum Inhalieren sein, weil es dann frühzeitig an den Eintrittspforten des Virus im Nasen-Rachen-Raum ansetzen kann. Das wird jetzt untersucht.“
Interessant sei, „in welcher atemberaubenden Geschwindigkeit sich Optimismus und Pessimismus im Zusammenhang mit einzelnen Medikamenten abwechselten.“ Etwa bei dem Malariamittel Chloroquin: Ex-US-Präsident Trump hatte es vorbeugend eingenommen und als „Geschenk Gottes“ bezeichnet. Bald stellte sich heraus, dass es wirkungslos ist – dafür aber viele Nebenwirkungen verursacht.
„Wir sind aber im vergangenen Jahr insgesamt deutlich besser geworden und nicht mehr im Blindflug unterwegs wie im März und April 2020“, sagt Greil. So zeigte dieser Tage eine Untersuchung, dass eine schnelle, blutverdünnende Therapie etwa mit Heparin ebenfalls die Zahl der Todesfälle deutlich senken kann.
Wem Blutplasma hilft
Fortschritte gab es auch bei der Beatmung. „Wir wissen heute, dass wir nicht zu früh mechanisch beatmen sollten. Vielfach reicht eine Atemunterstützung mit erwärmter, sauerstoffangereicherter Luft. Diese wird über eine Nasenbrille oder Maske zugeführt.“ Eine invasive Beatmung mit Beatmungsschlauch wird, so lange es möglich ist, vermieden. Bei Patienten mit einem sehr geschwächten Immunsystem (als Folge z. B. bestimmter Blutkrebserkrankungen oder medikamentöser Behandlungen) setzt Greil das Blutplasma genesener Covid-19-Patienten ein: „Sie brauchen eine zusätzliche Hilfe, um das Virus aus dem Körper zu bringen. Da sehen wir positive Ergebnisse.“
Hingegen sei es noch zu früh für Aussagen zu jenen pharmazeutisch hergestellten Antikörperpräparaten, mit den u. a. auch Donald Trump behandelt wurde: „Die Herstellung ist aufwendig, und die Mutationen könnten eine mögliche Wirkung abschwächen.“
Milder Verlauf
In 80 Prozent der Fälle vermehrt sich das Coronavirus nur in den Oberen Atemwegen (Nase, Nebenhöhlen, Rachenraum), die Symptome (z. B. Kopfschmerzen, trockener Husten, Fieber, evt. Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns ) sind leicht ausgeprägt.
Schwerer Verlauf
Das Virus vermehrt sich auch in den Bronchien und in der Lunge. Meist in der zweiten Krankheitswoche kann sich eine Lungenentzündung entwickeln, der Sauerstoffgehalt im Blut sinkt, Atemnot tritt auf. Die (bei ganz schweren Verläufen überschießende) Reaktion des Immunsystems führt zu Entzündungen der Innenwände der Blutgefäße vieler Organe, die u. a. das Risiko für die Bildung von Blutgerinnsel erhöhen.
Unberechenbarer Verlauf
Massiv verminderte Sauerstoffwerte im Blut werden oft lange gut toleriert – innerhalb von Minuten kann sich aber der Zustand rasch verschlechtern.
Voraussichtlich bis Ende März sollen die Daten zu dem von einem Team um den Genetiker Josef Penninger entwickelten Präparat APN01 veröffentlicht werden. Es soll verhindern, dass SARS-CoV-2 in die Zellen eindringen kann. Greil ist zuversichtlich: „Ich bin mir sicher, dass wir heuer noch weitere Fortschritte sehen werden.“
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