Wie alt sind Sie? Künstliche Intelligenz sieht es im Brustkorbröntgen

Doctor diagnosing patient?¢¬Ä¬ôs health on asthma, lung disease, COVID-19 or bone cancer illness with radiological chest x-ray film for medical healthcare hospital service
Neues System schätzt anhand von Röntgenaufnahmen das Alter und liefert bei zu hoch geschätzten Altersangaben Hinweise auf chronische Krankheiten.

Im Alltag ist es der Blick in das Gesicht eines Menschen, der eine - zumindest ungefähre - Auskunft über dessen Alter gibt. Auch wenn man bei Schätzungen ganz schön daneben liegen kann. Aber es gibt objektive Veränderungen, die Bindegewebsfasern aus Kollagen und Elastin werden weniger, das Hautgewebe wird dünner, der Wasser- und Fettgehalt sinkt. Wissenschafter der Osaka Metropolitan University in Japan haben jetzt ein Modell einer künstlichen Intelligenz (KI) entwickelt, das mit der Hilfe von Röntgenbildern des Brustkorbs das chronologische Alter der betreffenden Person - also die Zahl der bisher gelebten Jahre - genau schätzen kann. Entscheidend aber ist eine andere Fähigkeit dieses Algorithmus: Das System erkennt auch kleinste Abweichungen von einer Aufnahme eines gesunden Menschen, die ein frühes Signal für eine chronische Krankheit sein können. Und in diesem Fall schätzt das System das Alter der Betroffenen höher ein als es tatsächlich ist.

Nach Ansicht der Studienautorinnen und -autoren bedeuten diese Ergebnisse einen großen Fortschritt in der medizinischen Bildgebung. Sie würden den Weg für eine verbesserte Früherkennung von Krankheiten und deren frühzeitige Bekämpfung ebnen. Mit Hilfe dieses Systems könnten Biomarker (biologische Merkmale) ausfindig gemacht werden, die einen Hinweis auf einen frühzeitigen Alterungsprozess geben.

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Das Forschungsteam der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Graduate School of Medicine der Osaka Metropolitan University entwickelte im ersten Schritt ein auf dem Prinzip von Deep Learning (eine Methode des maschinellen Lernens) basierendes KI-Modell, um das Alter gesunder Personen anhand von Röntgenbildern zu schätzen. Anschließend wendeten sie das Modell auf Röntgenbilder von Patienten mit bekannten Krankheiten an. Damit sollten Zusammenhänge zwischen den Altersschätzungen und unterschiedlichen Krankheiten analysiert werden.

Wie alt sind Sie? Künstliche Intelligenz sieht es im Brustkorbröntgen

Die oberen Bilder zeigen Röntgenaufnahmen des Brustkorbs von Patienten im Alter von 21 bis 40 Jahren (links) sowie von 81 bis 100 Jahren. Unten sind die roten Punkte jene, die für eine Altersbestimmung durch die KI am wichtigsten sind.

Für die Entwicklung, das Training und die Prüfung des KI-Modells zur Altersschätzung wurden insgesamt mehr als 67.000 Röntgenaufnahmen des Brustkorbs von rund 36.000 gesunden Personen herangezogen, die sich in drei verschiedenen medizinischen Einrichtungen Untersuchungen unterzogen hatten. Dabei zeigte sich eine hohe Übereinstimmung zwischen dem von der KI geschätzten und dem tatsächlichen Alter: Der sogenannte Korrelationskoeffizient (ein Maß für den Zusammenhang) lag bei 0,95.  Bei einem Wert von 1 wäre die KI immer komplett richtig gelegen, ein Wert über 0,9 gilt als sehr hoch und gut.

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Anschließend wurden in das System mehr als 34.000 Röntgenaufnahmen des Brustkorbs von Patienten mit bestimmten, bereits diagnostizierten Erkrankungen eingespielt - darunter Bluthochdruck, zu hoher Harnsäurespiegel im Blut (kann zu Gicht führen) oder einer chronischen Lungenerkrankung (COPD). Bei diesen Bildern zeigte sich eine Differenz zwischen dem von der KI  geschätzten Alter und dem tatsächlichen Alter in Lebensjahren: Je höher das von der KI geschätzte Alter im Vergleich zum chronologischen Alter war, desto wahrscheinlicher war es, dass die Betroffenen diese Krankheiten hatten.

"Das chronologische Alter ist einer der wichtigsten Faktoren in der Medizin", wird Yasuhito Mitsuyama, einer der Studienautoren, in einer Aussendung zitiert. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das auf den Bruströntgen basierende scheinbare Alter gesundheitliche Zustände genau widerspiegeln kann. Unser Ziel ist, diese Forschung weiterzuentwickeln und sie anzuwenden, um den Schweregrad chronischer Erkrankungen abzuschätzen, die Lebenserwartung vorherzusagen und mögliche chirurgische Komplikationen zu prognostizieren."

Die Studie ist im Fachjournal The Lancet Healthy Longevity veröffentlicht worden.

 

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