Was man bisher über die indische Virus-Variante weiß
Eine vorab veröffentlichte Studie gibt Hoffnung.
01.05.21, 11:16
Zuletzt wurden aus Indien 400.000 Neuinfektion innerhalb nur eines Tages gemeldet. Die Krankenhäuser und auch die Krematorien des Landes sind seit Tagen überfüllt. In der Infektionswelle, die das südasiatische Land im Moment überrollt, beobachten Wissenschafterinnen und Wissenschafter zwei dominante Virus-Varianten. Nämlich die auch bei uns bekannte britische Variante B.1.1.7, aber auch eine wohl eigens in Indien hervorgebrachte Variante namens B.1.617, die am Freitag auch erstmals in Österreich festgestellt worden sein könnte - mehr dazu hier.
Der österreichische Virusimmunologe Andreas Bergthaler, der das Mutationsgeschehen in Österreich genau beobachtet, schätzt die Lage so ein: „Zurzeit fehlen harte Daten, dass B.1.617 ein verändertes Verhalten wie erhöhte Infektiosität, geänderten Krankheitsverlauf oder auch immune escape (Anm. ein Entkommen der Immunantwort, indem zum Beispiel einige Antikörper nicht mehr binden können) im Vergleich zur Normvariante aufweist." Um dazu eine sichere Aussage zu machen, bräuchte es detailliertere epidemiologische Daten und weitere Labortests.
Inwieweit diese Virus-Variante also die Infektionswelle, die das Land im Moment überrollt, vorantreibt, sei noch unklar. Dass sie dabei eine Rolle spielt, solle man zwar nicht ausschließen, "aber gleichzeitig gibt es verschiedene Umstände, wie Öffnungsmaßnahmen inklusive Massenveranstaltungen und ein überfordertes Gesundheitssystem, die sicherlich auch einen größeren Einfluss haben als die Mutationen." Die New York Times berichtet zudem, dass etliche Experten auch der Meinung sind, auch die britische Variante B.1.1.7 würde maßgeblich zur Situation in Indien beitragen.
Mutationen an drei entscheidenden Stellen
Das Genom (Erbgut) des Coronavirus besteht aus einer etwa 30.000 Buchstaben langen Kette. Mutiert das Virus zu einer neuen Variante, werden einzelne Sequenzen dabei quasi ausgetauscht.
Bergthaler verglich diesen Vorgang schon früher mit einer "fehlerhaften Kopiermaschine". Bei B.1.617 veränderte sich das Virus so, dass es nun Mutationen an drei strukturell wichtigen Stellen im Virus aufweist - nämlich L452R, E484Q und P681R. Jene Mutationen könnten die Eigenschaften des Virus beeinflussen.
"Sie führen zu einem Austausch von Aminosäuren in der Proteinsequenz des Spike-Proteins, das sich an der Oberfläche des Virus befindet und die Bindung des Virus an die menschliche Zelle ermöglicht. Inwiefern diese Veränderungen tatsächlich zu einem Entkommen der Immunantwort oder zu einer leichteren Übertragung des Virus beitragen, ist noch nicht geklärt", fasst das deutsche Sciencemediacenter zusammen.
Was man über die Wirkung von Impfungen weiß
Eine erste Analyse des Virus haben indische Forschende als sogenannte Vorabpublikation ("Pre Print") veröffentlicht, das heißt, sie wurde noch nicht von Unabhängigen begutachtet. Die Studie zeigte jedoch, dass die indische Variante durch Blutseren von Geimpften oder bereits Genesenen gut neutralisiert werden kann. "Die Mutationen im Spikeprotein scheinen keine deutliche Abschwächung der Antikörperneutralisation zu verursachen, sodass ich nicht erwarte, dass der Impfschutz durch diese Virusvariante gefährdet ist", sagte Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung, an der Berliner Charité. „Einige Mutationen im Erbgut dieser Variante liegen an den gleichen Positionen wie in dem von B.1.1.7 beziehungsweise in B.1.351 (Anm. Südafrika-Variante) und P1 (Anm. Brasilien-Variante). Allerdings sind die Veränderungen in den Aminosäuren, also den Bausteinen des Spikeproteins, nicht identisch. Das könnte auch erklären, warum die Antikörperneutralisation nicht so stark reduziert ist, wie bei B.1.351.“
Endgültig ist dieses Wissen aber noch nicht. "Der erwähnte Preprint deutet darauf hin, dass Impfseren nach Impfung mit dem indischen Totimpfstoff Covaxin (BBV152) kaum einen Abfall an Neutralisation gegenüber B.1.617 aufweisen, das heißt, die Wirkung weiterhin gegeben ist. Gleichzeitig sind die Daten in diesem Preprint sehr spärlich und schließen keine in Europa gebräuchlichen Impfstoffe ein", so Bergthaler.
Kein Sommer-Effekt in Indien?
Im Kampf gegen die Pandemie stellt für viele die wärmere Jahreszeit, die nun in Österreich beginnt, eine Hoffnung für Lockerungen dar. Restlos geklärt ist der Einfluss von Wetter, Temperatur und Co auf das Virus jedoch nicht. Schon bisher wiesen Experten immer wieder darauf hin, dass Beispiele wie Brasilien oder jetzt auch Indien zeigen würden, warme Temperaturen alleine können das Infektionsgeschehen wohl nicht aufhalten. Viel eher könnte die Möglichkeit sich draußen statt drinnen zu treffen und sich damit auf mehr Raum als im Winter zu verteilen, die Verbreitung des Virus einbremsen.
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