Perioden-Tracker immer beliebter
Statt der Antibabypille, hormonhaltigen Spiralen, Pflastern oder Verhütungsstäbchen oder -ringen würden Frauen einer ungewollten Schwangerschaft generell immer öfter auf sogenanntem "natürlichem" Weg vorbeugen, so die Studienautorinnen und -autoren. Auch mittels sogenannter Perioden-Tracker. Dabei handelt es sich um Apps, die, basierend auf Eingaben der Nutzerinnen, den Zyklus nachzeichnen und etwa den Eisprung und damit fruchtbare bzw. weniger fruchtbare Tage vorhersagen.
Getrieben sei die verstärkte Nutzung unter anderem durch soziale Medien, in denen solche "natürliche Wege der Fruchtbarkeitskontrolle" beworben würden. Allerdings, so rechnen die Fachleute vor, tritt bei zwei bis 23 von 100 Frauen, die auf diese Art verhüten, innerhalb eines Jahres eine Schwangerschaft ein. Bei der Pille und Implantaten (Hormonstäbchen) kommt es zu sieben ungewollten Schwangerschaften, bei der Hormonspirale ist es im Schnitt nur eine bei 100 Frauen.
Störungsanfällige Aufzeichnungen
Dass eigenständige Zyklusaufzeichnungen – egal ob analog oder via App – störungsanfällig sein können, bestätigt auch Barbara Maier, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe und Professorin für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Wiener Sigmund Freud Universität: "Solche Methoden funktionieren nur dann effektiv, wenn die Frau einen sehr regelmäßigen Zyklus, einen konstanten Lebensstil und zum Beispiel auch keinerlei privaten oder beruflichen Stress hat." Schon eine Fernreise könne die Vorhersagesicherheit ins Wanken bringen.
In der Abkehr von hormoneller Verhütung sehen die britischen Forschenden eine globale Entwicklung. Eine Einschätzung, die Maier nur bedingt teilt: "Ich sehe allein in Europa keinen allzu homogenen Trend in diese Richtung, der immer auch damit zu tun hat, welche Möglichkeiten Frauen in einem Land in der Wahl der Verhütungsmittel haben."
Eine zunehmende Präferenz für hormonfreie Verhütungsmethoden in Österreich bildete bereits der Verhütungsbericht 2019 ab: Über ein Drittel der Befragten sagt darin, hormonelle Verhütungsmittel aufgrund von Bedenken bezüglich möglicher Nebenwirkungen zu meiden. Hinweise gibt es auch darauf, dass hormonelle Verhütungsmittel abgelehnt werden, wenn sie sich negativ auf die psychische Gesundheit, das Sexualleben oder den Menstruationszyklus auswirken.
Individuell adäquate Verhütungslösung finden
Manchmal gründen diese Ängste auf Mythen, die sich etwa um die Pille ranken: "Dabei geht es um die Angst vor einer herabgeminderten Fruchtbarkeit nach dem Absetzen der Pille oder um unkontrollierbare Gewichtszunahme", weiß Maier. Weil heute eine ganze Palette an Hormonpräparaten und auch hormonfreie Langzeitverhütungsmethoden wie die Kupferspirale zur Verfügung stehen, könne man "individuell die passende Verhütungslösung finden". Wesentlich dabei ist, zu erheben, "ob eine Frau etwa aufgrund ihres erhöhten Thromboserisikos nicht für eine hormonelle Verhütung infrage kommt".
In Österreich gibt es keine landesweiten Aufzeichnungen zu Schwangerschaftsabbrüchen. Basale Informationen lassen sich lediglich punktuell aus Aufzeichnungen von Krankenhäusern beziehen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. "Wenn ein Überblick über Schwangerschaftsabbrüche gewünscht ist, oder wir als Gesellschaft in die Debatte über vorbeugende Maßnahmen einsteigen möchten, müssen sie zu einer Versicherungsleistung gemacht werden", sagt Maier.
"Würden Schwangerschaftsabbrüche aus ihrer Sonderstellung geholt, hätten wir Daten, Zahlen und Fakten. Nachdem Frauen den Abbruch immer noch selbst finanzieren müssen, wüsste ich nicht, warum Gründe dafür jemanden etwas angingen", sagt Maier, die auch präventive Effekte von Aufklärung und kostenfrei zur Verfügung gestellter Verhütungsmittel unterstreicht. "Wir wissen aus Studien, dass sich sehr viele Frauen ohne Kinderwunsch für sichere, langfristige Verhütungsmittel entscheiden würden, wenn sie nicht so teuer wären."
Nutzung von E-Health-Anwendungen genauer untersuchen
Die britische Studie hat jedenfalls auch Schwächen. Kausale Schlüsse, das betonen die Forschenden selbst, lassen sich aus den Daten nicht ziehen. Ob das wachsende Interesse an hormonfreier Verhütung wirklich zu einem Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche führt, kann nicht beantwortet werden. Zudem sei die untersuchte Stichprobe – Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben – möglicherweise nicht repräsentativ für die gesamte sexuell aktive Bevölkerung. Ein Boom in der Nutzung von App-Technologien könne auch nur vermutet werden. Welche natürliche Empfängnisverhütung genau zur Anwendung kam, wurde nicht erhoben.
Ein Anstieg von Abtreibungsraten sei zudem stets multifaktoriell bedingt, summieren die Fachleute. Im Lichte der zunehmenden Beliebtheit von diversen E-Health-Anwendungen müssten Zyklus-Apps und ihr Einfluss dennoch genauer untersucht werden.
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