Unterschätztes Gesundheitsproblem: Wenn die Leberzellen zu viel Fett einlagern
Hoher Alkoholkonsum kann die Leber schwer schädigen – das ist bekannt. „Man muss aber nicht vom Alkohol abhängig sein, um eine Lebererkrankung zu bekommen“, sagt der deutsche Hepatologe Tobias Böttler vom Universitätsspital in Freiburg. „Von diesem Stigma wollen wir weg. Auch kontrollierter Genusskonsum – oft in Kombination mit kalorienreicher Ernährung – kann der Leber schweren Schaden zufügen.“ Allerdings: Die Risiken werden unterschätzt.
Böttler ist einer der Organisatoren des wissenschaftlichen Programms des großen internationalen Leberkongresses, der heute, Mittwoch, in der Messe Wien beginnt. Veranstalter ist die Europäische Vereinigung für das Studium der Leber (EASL).8.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden erwartet. Eines der Themen dabei ist die „Fettleber“.
Bisher wurde zwischen der „alkoholischen“ und der „nicht-alkoholischen“ Fettleber unterschieden. Doch diese Unterscheidung ist schwierig, „weil es sehr oft Mischformen“ gibt. Insgesamt ist in Westeuropa rund ein Drittel der Bevölkerung von einer Form der Fettleber betroffen.
Übergewicht, Bewegungsmangel, falsche Ernährung und eben auch Alkoholkonsum führen dazu, dass die Leber vermehrt Fett in ihre Zellen einlagert – und sich vergrößert. Ein Gesundheitsproblem beginnt dann, wenn der Körper versucht, dieses Fett wieder abzubauen – denn das führt meistens zu einer entzündlichen Reaktion. Es kommt zu einem vermehrten Absterben von Leberzellen, die Leber kann nicht ausreichend neue Zellen produzieren und bildet stattdessen Bindegewebe (Leberfibrose). Ist bereits ein großer Teil der Leber vernarbt, spricht man von Zirrhose. Bei einer weit fortgeschrittenen Zirrhose ist die Transplantation die einzige Therapie.
Eine Zirrhose ist aber auch ein wichtiger Risikofaktor für Leberkrebs: Lange Zeit waren die Hepatitis B und die Hepatitis C die häufigste Ursache für die Entstehung von Leberkrebs. Doch dank neuer Therapien gegen diese Viruserkrankungen sind mittlerweile die unterschiedlichen Formen der Fettleber die wichtigste Ursache für Leberkrebs.
„Eine entzündete Fettleber ist ein eigener Risikofaktor für Herzinfarkte und Schlaganfälle und für die Entwicklung von Diabetes Typ II, betont Böttler: „Je kränker die Leber, desto höher die Gefahr.“ Einen möglichen Hinweis auf eine Entzündung gibt eine Erhöhung des Leberwertes GPT: „Eine dauerhaft erhöhte GPT sollte immer weiter abgeklärt werden.“ Je mehr weitere Faktoren hinzu kommen – etwa Übergewicht, besonders um den Bauch –, eine Herzerkrankung oder ein Diabetes –, umso größer ist das Risiko.
Diagnose mit Ultraschall
Mittels Ultraschalluntersuchung kann eine Fettleber diagnostiziert werden, und es können auch Hinweise ermittelt werden, ob es schon zu Veränderungen des Gewebes – etwa erhöhte Steifigkeit – durch eine Entzündung gekommen ist.
Die gute Nachricht ist: Auch im Stadium einer Entzündung kann sich die Leber noch regenerieren. Entscheidend ist dabei eine Lebensstilumstellung mit einer Reduktion des Fett-, Zucker- und Alkoholkonsums, mehr Bewegung und als Folge einer Gewichtsabnahme.
Erfolgsbeispiel Therapie der Hepatitis C
Ein Schwerpunkt auf dem Kongress sind auch die Virushepatitis-Erkrankungen. Im Jahr 2020 wurde der Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus verliehen. Der Durchbruch dabei gelang Ende der 80-er Jahre. "Rund 25 Jahre danach wurde eine Therapie entwickelt, die bei fast allen Menschen zu einer Heilung führt", sagt Böttler: "Ich kenne sonst keine chronische Erkrankung, die man mit einer acht- oder zwölfwöchigen Tablettentherapie heilen kann. Und wir reden wirklich von heilen, nicht nur von kontrollieren, wie das bei HIV der Fall ist. Das ist sicher der Durchbruch der vergangenen Jahrzehnte in unserem Gebiet." Heute ist der größte Risikofaktor für eine Hepatitis-C-Infektion der intravenöse Drogenkonsum.
Fortschritte bei der Hepatitis B
Diese Virusinfektion kann heute - ähnlich wie HIV - mit einer Dauertherapie sehr gut kontrolliert und in Schach gehalten werden, sagt Böttler. "Es gibt derzeit aber große Anstrengungen in der Forschung, eine Therapie zu entwickeln, die auch die Hepatitis B heilen kann. Ich halte es durchaus für realistisch, dass das in einigen Jahren der Fall sein kann."
Der Zusammenhang zwischen Darm-Mikrobiom und Leber
Ein Thema auf dem Kongress wird auch ein relativ neues Forschungsgebiet sein: Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom im Darm, also den dort lebenden Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Pilzen oder Einzellern, und Lebererkrankungen. "Unbestritten ist, dass hier Wechselwirkungen vorhanden sind. Es gibt ja auch Darmerkrankungen, etwa die chronisch entzündlichen Krankheiten, die sich auch auf die Leber auswirken." Noch sei es aber zu früh zu sagen, welche Bakterienstämme möglicherweise einen günstigen Einfluss auf die Leber haben und welche einen weniger günstigen. "Ganz allgemein lässt sich aber sagen, dass ein gesundes Mikrobiom ein wichtiger Faktor für eine gesunde Leber ist."
Braucht die Leber eine Reinigung?
Eine Thema, mit dem Hepatologen immer wieder konfrontiert werden, sind Angebote von Nahrungsergänzungsmitteln bzw. naturheilkundliche Verfahren zur "Leberreinigung" bzw. zur "Leberentgiftung". So könnten etwa mit Bitterstoffen oder bestimmten Abführmitteln die Gallengänge "durchgeputzt" werden. Böttler ist skeptisch: "Für all diese Dinge gibt es keine Evidenz, keine harten wissenschaftliche Belege einer Wirksamkeit. Die Leber hat so gute Selbstreinigungskräfte, dass sie da keine Unterstützung benötigt." Deshalb könne er auch mit dem Begriff "Leberreinigung" nichts anfangen: "Die Leber ist ein exzellentes Entgiftungsorgan. Ich wüsste gar nicht, wie man sie unterstützen könnte, es reicht meisten schon, wenn man sie in Ruhe lässt."
Einen Punkt allerdings gebe es, der der Leber hilft: "Wer bereits eine entzündete Fettleber hat und dann zehn Prozent seines Gewichtes abnimmt, die Ernährung umstellt und dabei den Fett- und Zuckerkonsum reduziert, der tut seiner Leber wirklich etwas Gutes."
Leber-Gesundheitsscheck bei der Messe Wien
Im Rahmen des Kongresses gibt es bis einschließlich 24. 6. die Möglichkeit, vor der Messe Wien (Messeplatz 1) in einem Screening-Truck einen kostenlosen Leber-Check zu erhalten. Böttler: „Wir wollen in Wien darauf aufmerksam machen, dass die Leber ein enorm wichtiges, aber oft unterschätztes Organ ist, das unseren Stoffwechsel steuert, lebenswichtige Eiweiße produziert und für die Entgiftung sorgt."
Vor allem auch gebe es - im Vergleich zu anderen Organen - keine Möglichkeit, die Leberfunktion kurzzeitig mit technischen Hilfsmitteln zu überbrücken: "Bei der Niere gibt es die Dialyse, bei Herz und Lunge gibt es die Herz-Lungen-Maschine, es gibt unterstützende Kunstherz-Verfahren. Der Ausfall dieser Organe kann also, etwa im Intensivbereich, für einige Zeit überbrückt werden. Aber den Ausfall der Leber kann man nicht kompensieren. Wenn die Leber ausfällt, bleibt nur mehr eine Option: Die Transplantation."
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