Danko Milinkovic: Die Studie ist in Tenniskreisen und auch darüber hinaus inzwischen sehr berühmt. Es handelt sich um Auswertungen einer dänischen Langzeitstudie, die seit Mitte der Siebziger rund 20.000 Männer und Frauen und ihre Gesundheitsdaten verfolgt. Irgendwann hat man sich die Daten von etwa 10.000 Freizeitsportlerinnen und -sportlern genauer angesehen und es hat sich gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig Tennis, aber auch Badminton und Fußball, spielen, im Schnitt fast zehn Jahre länger leben als Personen, die anderen Sportarten nachgehen. Vor allem im Vergleich zu Dauerbelastungssportarten wie Radfahren oder Joggen offenbarten sich Vorteile. Das ist total interessant. Was fehlt, ist der Nachweis der Kausalität – ob Tennis also wirklich für das gesündere Leben verantwortlich ist, und es nicht umgekehrt ist.
Worauf führt man die positiven Effekte zurück?
Argumentiert wird, dass vor allem die soziale Komponente beim Tennis förderlich ist. Dass man am Feld jemandem gegenübersteht. Wir wissen, dass ein gesundes, erfülltes Sozialleben bei der Langlebigkeit eine entscheidende Rolle spielt. Tennis wird, bis auf wenige Monate im Winter, draußen gespielt, an der frischen Luft, in der Sonne – auch das fördert die Gesundheit. Ganz abgesehen von den spezifischen Effekten, die Tennis auf den Körper hat.
Welche wären das?
Es kombiniert soziale Interaktion mit Ausdauer, Koordination und Schnellkraft. Durch den Intervallcharakter, also den Tempowechsel, kommt es auch zu einer Verbesserung der Herzvariabilität. Sie ist ein Maß für die Fähigkeit des Herzens, sich an verschiedene Situationen anzupassen und ein Indikator für die Gesundheit des autonomen Nervensystems. Wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen, dass Tennis die kardiovaskuläre Fitness verbessert und den Körper dabei unterstützen kann, Entzündungen in Schach zu halten.
Welche Muskelgruppen werden besonders beansprucht und gestärkt?
Aus biomechanischer Sicht ist Tennis extrem interessant. Der Aufschlag ist zum Beispiel eine der faszinierendsten Bewegungen, die der menschliche Körper im Sport ausführen kann. Weil so viele Muskelgruppen im Zusammenspiel eine flüssige Bewegung von oben nach unten, von der Hand bis zum Sprunggelenk ausführen. Besonders aktiviert wird die Beinmuskulatur, vor allem die Muskelkette von der Hüfte über den Oberschenkel bis zur Wade. Und natürlich der untere Rücken und der gesamte Rumpf, die Schulter und die Armmuskulatur. Nicht zuletzt wird auch die Handmuskultur gestärkt. Tennis verleiht dem ganzen Körper Stabilität.
Welche Rolle spielen kognitive Trainingsreize?
Die Kombination aus muskulären und kognitiven Reizen wie Konzentration, vorausschauendes Denken, Konzentration und Reaktionsfähigkeit ist tatsächlich phänomenal und beim Tennis einzigartig. Profispieler besitzen eine beeindruckende Neuroplastizität, sprich kognitive Anpassungsfähigkeit, weil jeder Spielzug des Gegners antizipiert werden muss. Wenn jemand wie Novak Djokovic aufschlägt, kann das Auge den Ball aufgrund seiner Geschwindigkeit unmöglich erfassen. Man muss also erahnen, wo er den Ball hinschießen könnte – sich entsprechend positionieren und blitzschnell reagieren.
Immer wieder heißt es, Tennis sei schlecht für die Gelenke. Stimmt das oder ist es ein Mythos?
Es ist ein Mythos. Prinzipiell gilt: Sport auf einer intensiven Ebene kommt immer mit einem potenziellen Schaden. Je aktiver, je schneller der Sport, desto höher die Risiken. Wobei Tenns kein Kontaktsport und insofern vergleichsweise verletzungsarm ist … Richtig, aber auch Tennis kann gewisse Probleme körperlicher Natur fördern. Auch Gelenkprobleme. Aber das es per se schlecht dafür ist, stimmt nicht. Eignet sich Tennis als Sport für das ganze Leben?Selbstverständlich. Wenn wir über Hobbysportler über 50 reden, die Tennis in der Regel im Doppel spielen, dann können diese auf vielen Ebenen profitieren, eben auch was die Vitalität der Gelenke angeht. Allerdings gilt es – vor allem, wenn man neu mit Tennis beginnt – immer die individuelle Fitness und etwaige Einschränkungen zu beachten. Man sollte also bestehende Problemen abklären lassen, bevor man sich ins Training begibt.
Wie kann man Kinder altersgerecht an den Tennissport heranführen?
Wichtig ist, dass man den Tennissport spielerisch näherbringt und auf die kindlichen Bedürfnisse abstimmt, etwa mit weicheren Bällen oder einem kleineren Feld. Kinder profitieren in jedem Fall hervorragend von Tennis, egal ob es um die Koordination, Konzentration oder auch den Aufbau von sozialen Fähigkeiten geht. Am Feld kämpft man gegen den Gegner, die Elemente und nicht zuletzt sich selbst. Es hat einen enormen Wert, wenn Kinder mit Niederlagen konstruktiv umgehen lernen und auch Verantwortung dafür übernehmen.
Ist Tennis auch für Menschen mit Rückenschmerzen geeignet – oder eher nicht zu empfehlen?
Das ist eine komplexe Frage, die eine differenzierte Antwort erfordert. Wir sehen schon, dass Racketsportarten, wo starke Rotrationskräfte auf den unteren Rücken wirken, zu degenerativen Veränderungen an den Bandscheiben führen können. Die vielen Drehbewegungen und die einseitige Belastung können sich also negativ auswirken. Wenn die Ursache für den Rückenschmerz aber unspezifisch und nicht wie bei einem Bandscheibenvorfall spezifisch ist, würde ich Tennis trotzdem empfehlen. Aber eingebettet in ein adäquat kombiniertes Training und mit angepassten Belastungsniveaus. Dann kann Tennis mit seinen vorteilhaften Effekten auf die Rumpfstabilität auch therapeutisch wirksam sein.
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