Studie: Psychotherapie hilft gut bei Magersucht

Studie: Psychotherapie hilft gut bei Magersucht
Die weltweit größte Behandlungsstudie zeigt, dass nach fünf Jahren mehr als 80 Prozent der Patientinnen gesund sind.

Psychotherapie hilft gut bei Magersucht. In der weltweit größten diesbezüglichen Therapiestudie konnten jetzt deutsche Experten nachweisen, dass mehr als 80 Prozent der Betroffenen fünf Jahre nach einer solchen Behandlung vollkommen oder teilweise beschwerdefrei waren, teilten die Universitätskliniken in Heidelberg und Tübingen mit. Etwa ein Fünftel zeigte allerdings überhaupt keinen Therapieerfolg.

Die Ergebnisse der Studie für ambulant behandelte Magersucht-Patientinnen (ANTOP-Studie) haben die Wissenschafter jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Lancet Psychiatry veröffentlicht: Fünf Jahre nach Therapieende konnten 41 Prozent der Patientinnen als genesen eingestuft werden, weitere 41 Prozent zeigten teilweise Magersucht-Symptome, 18 Prozent litten immer noch am Vollbild der Erkrankung.

Häufig Frauen betroffen

Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine schwerwiegende psychosomatische Erkrankung, die insbesondere Frauen betrifft und tödlich verlaufen kann. Die Betroffenen sind enormen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt. Aber auch ihre Angehörigen stehen unter einem großen Leidensdruck.

Bereits 2014 entstand aus einer Kooperation zehn deutscher psychosomatischer Universitätskliniken unter der Leitung von Stephan Zipfel (Universitätsklinikum Tübingen) und Wolfgang Herzog (Universitätsklinikum Heidelberg) die weltweit größte Psychotherapiestudie für Magersucht-Patientinnen.

"Blick in Spiegel regelrechte Tortur"

"Für Anorexia nervosa Patienten und Patientinnen ist der Blick in den Spiegel eine regelrechte Tortur. Sie nehmen sich als übergewichtig wahr, obwohl ihr Body-Mass-Index (BMI; Anm.) bereits eine bedrohliche Form angenommen hat.

Die Gewichtsreduktion wird durch eine chronisch geringe Nahrungsaufnahme erreicht. Frauen sind überproportional häufig von der Krankheit betroffen (Verhältnis Männer zu Frauen: eins zu zwölf)", schrieben die Universitäten.

Obwohl die Krankheit auf den ersten Blick rein äußerliche Merkmale aufweise, wie ein stark abgemagertes Erscheinungsbild, handle es sich in erster Linie um eine schwere psychosomatische Erkrankung. Deshalb heißt es in internationalen Behandlungsleitlinien, dass die Psychotherapie die Behandlung der Wahl für Erwachsene mit Magersucht sei.

Je nach Schwere der Erkrankung und dem Gewicht der betroffenen Person kann auch ambulant behandelt werden.

Verschiedene Behandlungsprogramme

In der Studie wurden drei innovative Behandlungsprogramme mit Kontrollgruppe und per Zufall zugeteilten Patientinnen verglichen. Die "fokale psychodynamische Therapie" bearbeitet in Therapiesitzungen die ungünstige Gestaltung von Beziehungen sowie Beeinträchtigungen bei der Verarbeitung von Emotionen.

Die "kognitive Verhaltenstherapie" zielt auf die Normalisierung des Essverhaltens und Gewichtssteigerung sowie auf die Bearbeitung mit der Essstörung verbundener Problembereiche, wie etwa Defizite bei sozialer Kompetenz. Die optimierten Behandlungen der "Richtlinienpsychotherapie" wiederum orientieren sich an Methoden der Standard-Psychotherapie.

Deutliche Besserungen

"Fünf Jahre nach Therapieende wiesen die Patientinnen im Mittel in allen drei Therapiegruppen deutliche Verbesserungen auf, z.B. eine Zunahme des Gewichts, weniger gestörtes Essverhalten, weniger psychische Symptome", fasste Herzog die Ergebnisse zusammen.

Ziel der fünf-Jahres-Nachbeobachtung der ANTOP-Studie war es, erstens die Langzeitergebnisse einer gut beschriebenen und recht homogenen Stichprobe erwachsener Patientinnen zu bewerten und zweitens zu untersuchen, ob die bei der Ein-Jahres-Nachbeobachtung festgestellten Behandlungsvorteile mehr als vier Jahre später fortbestehen würden.

Ursprünglich waren 242 Patientinnen mit diagnostizierter Magersucht per Zufallsauswahl den drei Therapiegruppen zugeteilt worden. "Ein guter Therapieverlauf wird begünstigt von einem höheren Ausgangsgewicht, einer kürzeren Krankheitsdauer und durch das Fehlen einer Depression bei Therapiebeginn", betonten die Wissenschafter.

Da aber eine nicht zu unterschätzende Gruppe von Patientinnen einen ungünstigen Verlauf aufwies, fordert Zipfel (Universitätsklinikum Tübingen) weitere Verbesserungen von Diagnostik und Therapie: "Wir brauchen weitere und spezifischere Marker in der Frühphase der Erkrankung, um gezielter potenziell besonders gefährdete Patientinnen erfolgreich behandeln zu können."

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