„Wir sind am Limit, so kann es nicht weitergehen“

Sad young man in empty room
In der Kinder- und Jugendpsychiatrie herrscht Überlastung, es fehlt überall an Personal. Patienten werden immer jünger

Ein 11-jähriges Mädchen, das sich extreme Selbstverletzungen zufügt. Der 12-Jährige, der starke Selbstmordgedanken hat. Die 14-Jährige, die nicht erst einen, sondern mehrere Suizidversuche hinter sich hat. Sie alle brauchen professionelle Hilfe, sofort, schnell, so unbürokratisch und effektiv wie möglich. Bis jetzt konnte und kann in Oberösterreich allen geholfen werden, wenn auch als enormer Kraftakt.

Ansturm

„Seit Herbst 2020 ist die Lage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie dramatisch. Kinder und Jugendliche werden in allen Kliniken vorstellig, viele von ihnen sind sehr jung, 11, 12 Jahre alt. So einen Ansturm kannten wir bis zum ersten Lockdown noch nicht“, sagt Michael Merl, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters am Linzer Kepler Uniklinikum.

Für viele Kinder und Jugendliche seien in Zeiten des Lockdowns und der Isolation soziale Kontakte weggefallen, „damit hat die so wichtige Standortbestimmung gefehlt. Außerdem haben ganz viele junge Menschen Schul- und Zukunftsängste“, so Merl.

„Wir sind am Limit, so kann es nicht weitergehen“

Michael Leiter, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Linzer Kepleruniklinikum

Seit Herbst 2020 befinde sich die Kinder- und Jugendpsychiatrie in der permanenten Verwaltung von Krisen: „Wir haben eine Auslastung von 130 bis 150 Prozent bei einem Personalstand von 100 Prozent. Das ist extrem belastend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind am Limit.“ Akute Krisen wie Selbstgefährdung, Selbstmordgedanken, Suizidversuche, Drogenprobleme, fremdaggressives Verhalten oder seit 2020 vermehrt Essstörungen wie Magersucht werden in den Kliniken behandelt. „Die Störungs- und Krankheitsbilder werden schwerer.“

In Oberösterreich gibt es 100 Betten, laut Strukturplan wären 140 bis 150 samt Personal nötig, um den Bedarf zu decken. „Das, was wir brauchen, ist nicht morgen verfügbar. Es gibt in der Psychiatrie einen Mangel an Ärzten und an Pflegepersonal. Es braucht sozialpsychiatrische, ambulante Zentren, um die regionale Versorgung sicherzustellen und mehr schulpsychologische Angebote, damit sich nicht jede Krise in eine medizinische Krise auswächst“, fordert Experte Michael Merl.

Wer Suizid-Gedanken hat, kann sich in ganz Österreich kostenlos unter der Nummer 142 an die Telefonseelsorge wenden.

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