Stehtisch im Büro: Sind die gesunden Effekte ein Mythos?

Ein Mann am Stehtisch im Büro.
Eine neue Studie aus Australien lässt Zweifel an förderlichen Effekten des Arbeitens im Stehen aufkommen.

Tägliches, stundenlanges Sitzen kann krank machen. Das zeigen Studien immer wieder. So konnten etwa Rückenschmerzen, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mit einem stark sitzenden Lebensstil in Zusammenhang gebracht werden. Sogar bei der Entstehung von Krebs könnte übermäßiges Sitzen eine Rolle spielen. 

Ist Stehen das bessere Sitzen?

Seit geraumer Zeit wird Stehen als gesündere Alternative gepriesen. Stehtische ermöglichen die praktische Umsetzung. Viele Unternehmen stellen sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inzwischen zur Verfügung. Auch der Markt hat auf den Trend reagiert: Große Möbelkonzerne haben Stehpulte längst in ihr Sortiment aufgenommen. 

Die ergonomischen Arbeitstische, die meist auch individuell in der Höhe verstellbar sind, sollen nicht nur eingangs genannte Gesundheitsrisiken reduzieren. Vor einigen Jahren kam eine Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Stehtische gar die Mitarbeiter-Produktivität steigern können.

Eine neue Studie versetzt der Euphorie einen Dämpfer. Demnach wirkt längeres Stehen im Vergleich zum Sitzen nicht positiv auf die Herzgesundheit. Langfristig könnte gar das Risiko von Kreislaufproblemen, und damit verbundenen Problemen wie Krampfadern oder Venenthrombosen, steigen. 

Mehr Stehen bringt keine gesundheitlichen Vorteile

"Die wichtigste Erkenntnis ist, dass zu langes Stehen einen ansonsten sitzenden Lebensstil nicht ausgleicht und für manche Menschen im Hinblick auf den Kreislauf riskant sein könnte", wird Studienmitautor Matthew Ahmadi von der Fakultät für Medizin und Gesundheit der Universität Sydney in einer Aussendung zitiert. "Wir haben festgestellt, dass längeres Stehen die kardiovaskuläre Gesundheit langfristig nicht verbessert und das Risiko von Kreislaufproblemen erhöht." Allerdings erhöhe langes Stehen das Risiko für Herzerkrankungen nicht, betont man. 

Für die Analyse wurden Daten über Herz-Kreislauf-Erkrankungen verwendet, die über einen Zeitraum von sieben bis acht Jahren von über 83.000 Erwachsenen aus Großbritannien gesammelt wurden. Sie litten zu Beginn der Studie an keiner Herzkrankheit. Ihre körperliche Aktivität wurde mit Bewegungssensoren am Handgelenk gemessen. 

Die Daten, die in der Studie verwendet wurden, bezogen sich nicht explizit auf die Nutzung von Stehpulten. Stattdessen wurden die kardiovaskulären und kreislaufbezogenen Auswirkungen des vermehrten Stehens gemessen. Auf die konkrete Nutzung von Stehpulten entfiel in der Erhebung nur ein kleiner Teil der gesamten Stehzeit.

"Machen Sie regelmäßig Pausen, gehen Sie spazieren"

Ein Plädoyer fürs Sitzen ist die Erhebung freilich nicht: Wer länger als zehn Stunden am Tag sitze, riskiere ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Kreislaufprobleme.

Immer wieder betonten Fachleute, wie wesentlich Bewegung als Ausgleich zu sitzenden Tätigkeiten ist. So auch die australischen Forschenden: "Für Menschen, die regelmäßig und lange sitzen, kann es ein besserer Weg sein, das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verringern, wenn sie sich den ganzen Tag über viel bewegen und strukturierte Übungen machen", erklärt Sportwissenschafter Emmanuel Stamatakis, ebenfalls an der Studie beteiligt.

Er präzisiert: "Machen Sie regelmäßig Pausen, gehen Sie spazieren, gehen Sie zu einer Besprechung zu Fuß, benutzen Sie die Treppe (…) oder nutzen Sie die Mittagspause, um vom Schreibtisch wegzukommen (…)."

Ihre Empfehlungen haben die Studienautoren bereits im Zuge einer früheren Erhebung auch in Zahlen gegossen: So können rund sechs Minuten intensive Bewegung oder 30 Minuten mäßige bis intensive Bewegung pro Tag dazu beitragen, das Risiko einer Herzerkrankung zu senken – auch bei Menschen, die mehr als elf Stunden pro Tag sitzen

Die Studie wurde im International Journal of Epidemiology veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden. 

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