Warum bleibt hoher Blutdruck oft unerkannt?
Bluthochdruck verursacht keine eindeutigen Beschwerden – etwa jeder zweite Betroffene in Österreich weiß nichts davon. "Es gibt Zeichen wie starkes Schwitzen, ein roter Kopf oder Kopfschmerzen. Sie treten aber nicht immer auf", sagt Hengstenberg. Etwa ab einem Alter von 50 Jahren, bei Beschwerden früher, sei es sinnvoll, den Blutdruck regelmäßig beim Hausarzt oder in der Apotheke messen zu lassen. In der Regel ist es laut Hengstenberg unbekannt, warum der Blutdruck steigt. "Man geht davon aus, dass es genetische Ursachen gibt. Auch seltene Erkrankungen und Virenerkrankungen gehen mit einem erhöhten Blutdruck einher." Eine Rolle spielen zudem Übergewicht, zu viel Alkohol, salzreiche Ernährung und wenig Bewegung.
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Wie erfolgt die Therapie derzeit?
Liegt der Blutdruck um einen Wert von 140/90 mmHg, werde zunächst versucht, an kleinen Schrauben zu drehen, etwa mit Gewichtsabnahme. "Bei 160/100 mmHg beispielsweise ist der Blutdruck klar erhöht und man muss Medikamente geben. Es gibt mehrere Präparate, die oft kombiniert werden. Man beginnt mit einer niedrigen Dosierung und gleicht diese dann in einem zweiten Schritt an", erklärt Hengstenberg. Anfänglich müssen mehrere Tabletten geschluckt werden, sind die passenden gefunden, gibt es auch Kombinationspräparate.
Wie funktionieren Medikamente und Spritze?
Die Tabletten zum Schlucken enthalten Wirkstoffe, die die Verwandlung des in der Niere gebildeten Hormons Angiotensin I in das stark Blutdruck steigernde Angiotensin II verhindern. Gleichzeitig wird mehr Salz und Wasser aus den Nieren ausgeschieden sowie die Blutgefäße erweitert, was den Blutdruck senkt.
Die neue Spritze basiert auf einem ähnlichen Prinzip: Das Präparat blockiert die Vorstufe dieser Hormone, das Protein Angiotensinogen. "Wir haben über die letzten 30 Jahre festgestellt, dass Medikamente, die dieses Angiotensin-System blockieren, vorteilhaft sind gegen Bluthochdruck. Jetzt ist es gelungen, in der Leber die Produktion von Proteinen, die daran beteiligt sind, zu verhindern", sagt Hengstenberg.
Was ist der Vorteil der Spritze?
Anders als die Medikamente, die täglich geschluckt werden müssen, wird sie nur alle sechs Monate verabreicht. „Das wäre viel bequemer für die Patienten und verhindert, dass die täglichen Tabletten unregelmäßig eingenommen werden. Wenn das funktioniert, bekommen Betroffene wie bei einer Impfung zweimal im Jahr ihre Spritze gegen Bluthochdruck. Das konnte man sich bis vor Kurzem gar nicht vorstellen.“
Wie weit ist die Entwicklung fortgeschritten?
Aktuell veröffentlichte ein amerikanisch-britisches Wissenschaftlerteam erste Daten einer klinischen Studie der Phase I mit 107 Bluthochdruck-Erkrankten. Bei den Probanden zeigte sich insgesamt eine Verringerung des Angiotensinogen-Spiegels im Blutserum von 90 Prozent und mehr – je nach Dosis. Ebenfalls dosisabhängig konnte der systolische Blutdruck um bis zu 22,5 mmHg und der diastolischer Blutdruck um bis zu 10,8 mmHg gesenkt werden. Eine salzarme Ernährung erhöhte den Effekt noch zusätzlich.
"Die Ergebnisse sind vielversprechend, aber dennoch müssen sie mit großer Vorsicht betrachtet werden, da nur eine geringe Anzahl an Patienten bisher das Medikament erhalten hat. Es sieht sehr gut aus, aber es müssen noch mehr Patienten untersucht werden", sagt Hengstenberg. Bis die Spritze auf den Markt kommt, werde es noch ein paar Jahre dauern.
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