Wenn das Smartphone erkennt, wie viel Alkohol man getrunken hat

Wenn das Smartphone erkennt, wie viel Alkohol man getrunken hat
Künftig könnten das Handy den Alkoholisierungsgrad bestimmen. Analysen des Stimmmusters und der Versprecher stimmen weitgehend mit der Atemluftanalyse überein.

Alkohol macht gesprächig - irgendwann wird es aber nicht nur zu viel, sondern auch zu undeutlich - wo das enden kann, ist bekannt.  Private Geräte, die den Alkoholgehalt im Atem messen und einen damit indirekt warnen könnten, das Stadium des kompletten Lallens zu erreichen, werden zwar immer beliebter, sind aber nicht immer verfügbar. Doch künftig könnte das Smartphone anzeigen, wie es um die eigene Aussprache bestellt ist und welchen Grad der Unverständlichkeit sie bereits erreicht hat. Möglich machen sollen das Sensoren und intelligente Lautsprecher, die den Grad der Alkoholisierung anhand der Veränderungen der Stimme ermitteln, wie eine neue Studie im Journal of Studies on Alcohol and Drugs zeigt. 

Forscher von Stanford Medicine und der University of Toronto führten dazu eine kleine Studie mit 18 Erwachsenen (im Alter von 21 bis 62 Jahren) durch. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten eine jeweils auf ihr Gewicht abgestimmte Alkoholmenge.  Bereits davor wurden ihnen nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Texte mit verschiedenen Zungenbrechern zugewiesen. Den ersten mussten sie eine Stunde vor dem Alkoholkonsum laut vorlesen, die anderen dann jeweils eine bis zu sieben Stunden nach dem Konsum.

Wenn das Smartphone erkennt, wie viel Alkohol man getrunken hat

Im Abstand von rund einem halben Meter wurde ein Smartphone platziert, welches die Stimmen aufzeichnete. Die Forscher maßen auch in Abständen von 30 Minuten bis zu sieben Stunden nach dem Konsum die Konzentration des Alkoholgehalts im Atem. Mit der Hilfe spezieller Programme zerlegten sie die Aufnahmen jeweils in Ein-Sekunden-Schritte und analysierten gleichzeitig Parameter wie die Frequenz und die Tonhöhe. 

Alkoholisierung: Genauigkeit von 98 Prozent 

Die Veränderungen im Stimmmuster stellten sie dem jeweiligen Alkoholgehalt der Ausatemluft gegenüber. Das Ergebnis: Anhand der Veränderungen der Stimme konnte der Grad der Alkoholisierung mit einer Genauigkeit von 98 Prozent bestimmt werden. 

"Die Genauigkeit unseres Modells hat mich wirklich überrascht", wird Studienleiter Brian Suffoletto, Professor für Notfallmedizin in Stanford, in einer Aussendung zur Studie zitiert. Zwar seien er und sein Team keine Pioniere beim reinen Aufzeigen der Veränderungen der Sprache während eines Alkoholrausches. Das Besondere sei aber die überraschende Genauigkeit des Systems. Diese sei darauf zurückzuführen, "dass wir modernste Verfahren der Signalverarbeitung, der akustischen Analyse und des maschinellen Lernens anwenden".

Zu viel: Österreicher tranken 2021 pro Kopf 11,1 Liter reinen Alkohol

Eine solche Anwendung könnte natürlich zu einem beliebten Partyspaß werden. Das ist aber nicht die Motivation für ihre Entwicklung. Vielmehr geht es dem Team darum, eine Möglichkeit für "just-in-time"-Eingriffe zu schaffen, um Verletzungen und Todesfälle bei Kraftfahrzeug- oder anderen Unfällen zu verhindern. Die Anwendung sei einfach zu bedienen und leicht verfügbar  - und da Smartphones und intelligente Lautsprecher nahezu allgegenwärtig sind, bieten sie sich als Hilfsmittel an, um Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass sie alkoholisiert sind.

Auch andere Werte einbeziehen

Vorerst seien aber noch größere Studien notwendig, um die Gültigkeit bestimmter Sprachmuster als Indikator für Rauschzustände zu bestätigen. Künftig könnten dafür auch unterschiedliche Daten - das Gangverhalten, die Stimme oder auch die textliche Struktur von selbst verfassten Nachrichten in den Sozialen Medien - ausgewertet werden. 

"Es kann sein, dass eine Person stundenlang nicht spricht, aber sie kann gehen. Es kann auch vorkommen, dass sie an einer Bar steht, weder geht noch spricht, aber aktiv eine SMS schreibt", sagt Suffoletto.

Neue Analyse: Mäßiger Alkoholkonsum hat keinen gesundheitlichen Nutzen

Das Ziel sei es, ein Interventionssystem zu entwickeln, das die Menschen bereit sind zu nutzen und das dazu beitragen kann, Verletzungen zu verhindern und Leben zu retten, sagt Suffoletto. Dabei sei der richtige Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung, um bei der betreffenden Person auf die nötige Bereitschaft zu stoßen, die Erinnerungen auch ernst zu nehmen. "Wenn jemand zum Beispiel mit dem Trinken anfängt, kann eine Erinnerung an die Grenzen des Konsums sehr wichtig sein. Sobald sie jedoch stark alkoholisiert sind, nimmt die Wirksamkeit solcher Maßnahmen ab."

Dass für derartige Hilfsmittel Bedarf besteht, zeigt auch der aktuelle OECD-Gesundheitsbericht "Health at a Glance" für das Jahr 2021:  Österreich befindet sich (ex aequo mit Estland) mit einem Pro-Kopf-Konsum von 11,1 Litern reinem Alkohol pro Jahr unter den sechs Ländern mit dem größten Konsum. Nur in Bulgarien, Tschechien, Litauen und Lettland wurde mehr getrunken.

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