Schwangerschaft kurz nach Fehlgeburt laut Studie nicht riskanter

Schwangerschaft kurz nach Fehlgeburt laut Studie nicht riskanter
Neue Forschungsergebnisse widerlegen WHO-Empfehlungen, wonach man nach Fehlgeburt mindestens sechs Monate warten sollte.

Nach einer Fehlgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch wollen es viele Paare möglichst bald nochmal versuchen. Bislang galt jedoch die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), mindestens sechs Monate bis zur nächsten Schwangerschaft zu warten. Dies soll der Frau Zeit geben, sich zu erholen und Komplikationen zu vermeiden.

Die Ergebnisse einer australischen Studie, die kürzlich im Fachblatt PLOS Medicine erschienen ist, zeigen nun, dass diese Wartezeit nicht nötig sein muss. Die Forschenden um Gizachew Tessema von der australischen Curtin School of Population Health werteten die Daten von mehr als 72.000 Frauen in Norwegen aus, die zwischen 2008 und 2016 ein Kind bekommen hatten. Gut 49.000 von ihnen hatten zuvor eine Fehlgeburt erlitten, knapp 23.000 Frauen einen Schwangerschaftsabbruch.

Mögliche Komplikationen

Untersucht wurden die die Daten mit Blick auf sechs mögliche Schwangerschaftskomplikationen, darunter Frühgeburt, spontane Frühgeburt, Präeklampsie und Schwangerschaftsdiabetes. Zudem wurde analysiert, ob die Babys zu klein (SGA) oder zu groß (LGA) in Relation zur Schwangerschaftsdauer waren.

Die Forschenden sahen, dass eine Empfängnis innerhalb von drei Monaten nach einer Fehlgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch insgesamt nicht mit einem erhöhten Risiko für derartige Komplikationen verbunden war. Der Studie zufolge ist das Risiko für zu kleine oder zu leichte Babys (in Bezug auf die Schwangerschaftsdauer) bei einer Zeugung innerhalb von weniger als sechs Monaten nach einer Fehlgeburt sogar geringer als bei einer Wartezeit von sechs bis elf Monaten. Auch das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes sei bei Frauen, die in weniger als drei Monaten wieder schwanger wurden, niedriger als bei einer Wartezeit von mehr als sechs Monaten.

Fand die Empfängnis weniger als drei Monate nach einem Schwangerschaftsabbruch statt, bestand allerdings ein leicht erhöhtes, aber nicht signifikantes SGA-Risiko im Vergleich zu einer längeren Wartezeit, während das LGA-Risiko in der Gruppe mit einer Wartezeit zwischen drei und fünf Monaten etwas geringer war. Die Beobachtungen passen zu den Ergebnissen früherer Studien aus Schottland und den USA. 

Trauer nicht berücksichtigt

Die Empfehlung der WHO basiert vor allem auf einer Studie aus Lateinamerika vom Jahr 2005, die von einem erhöhten Risiko verschiedener Schwangerschaftskomplikationen berichtet hatte. Hier könnten unter anderem Unterschiede in der medizinischen Versorgung eine Rolle gespielt haben, so die Mutmaßung der australischen Forschenden.

Auch die  Aussagekraft der aktuellen Arbeit ist dadurch beschränkt, dass nur Daten von Frauen aus Norwegen ausgewertet wurden. Die Studienautoren schreiben: "Da in unserer Studie Daten aus einem einzigen Land mit hohem Einkommen und besserer Gesundheitsversorgung verwendet wurden, können unsere Ergebnisse nicht auf andere Situationen mit anderen Bevölkerungsgruppen übertragen werden.“

Auch psychische Aspekte - wie die Verarbeitung eines Schwangerschaftsverlusts - werden in der Studie nicht thematisiert, wie Matthias David von der Charité Berlin gegenüber der dpa kritisiert. So stellt ein Schwangerschaftsverlust für die Frau selbst, aber auch für den Partner und das familiäre Umfeld eine besondere Situation dar, die von Verlust, Trauer und Angst hinsichtlich zukünftiger Schwangerschaften geprägt sei.

Selbst, wenn körperlich nichs gegen eine schnelle neuerliche Schwangerschaft spricht, kann der individuelle Trauerprozess psychisch eine längere Wartezeit erfordern - ein Aspekt, der in der aktuellen australischen Studie keine Berücksichtigung findet.

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