Schnelle Erstimpfung "enorm wichtig"

Schnelle Erstimpfung "enorm wichtig"
Eine schnelle Erstimpfung sei für einen Erfolg gegen die Pandemie entscheidend, so Impfexperte Kollaritsch.

Bis zur breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen mit nur einer notwendigen Impfdosis (z.B. Impfstoff von Janssen-Cilag/Johnson & Johnson) muss alles daran gesetzt werden, möglichst vielen Österreichern die Erstimpfung zu verabreichen.

"Herdenschutz" kann mit infektiöseren SARS-CoV-2-Varianten kaum erreicht werden. Das erklärte Montagabend bei einer Online-Ärztefortbildung der Wiener Impfexperte Herwig Kollaritsch.

Insgesamt seien alle derzeit zugelassenen Impfstoffe sehr gut wirksam, sicher und verträglich, betonte der Spezialist für Spezifische Prophylaxe (Impfungen), Reise- und Tropenmedizin mit jahrzehntelanger Erfahrung.

Die Rate von Todesfällen und thromboembolischen Ereignissen (Beinvenenthrombose, Lungenembolie etc.) im zeitlichen Umfeld von Covid-19-Impfungen sei im Grunde im Rahmen der Häufigkeit, in der solche Ereignisse sonst auch in der Bevölkerung auftreten und sehr selten. Für alle thromboembolischen Komplikationen nach Impfung mit der Vektor-Vakzine von AstraZeneca gebe es kein "Signal" eines häufigeren Auftretens. Die Häufigkeit von Hirnvenenthrombosen (vor allem in Deutschland) liege bei Geimpften geringfügig über dem sonstigen Vorkommen solcher Erkrankungen.

Kollaritsch: "Die Nutzen-Risiko-Relation bleibt (bezüglich des AstraZeneca-Impfstoffs; Anm.) hoch positiv. Ein Pausieren der Impfung für zwei Wochen in Österreich bei der gegenwärtigen epidemiologischen Situation hätte die Inkaufnahme von zwölf verhütbaren Covid-19-Todesfällen und 34 Hospitalisierungen bedeutet."

Derzeit sind mit den beiden mRNA-Vakzinen (Pfizer/BioNTech, Moderna) und zwei Vektor-Vakzinen (AstraZeneca, Janssen-Cilag) vier Covid-19-Impfstoffe in der EU zugelassen. In Österreich basiert die Impfkampagne bisher auf den mRNA-Vakzinen und jener von AstraZeneca - jeweils mit zwei Teilimpfungen. Aus Israel gibt es mit dem Pfizer/BioNTech-Impfstoff bereits hervorragende Daten über die Schutzrate in der routinemäßigen Verwendung (von fast 600.000 Geimpften/Nicht-Geimpften zwischen 20. Dezember 2020 und 1. Februar 2021: 14 bis 20 Tage nach erster Teilimpfung Schutzrate gegen Infektion von 46 Prozent, 21 bis 27 Tage nach Immunisierung bei 60 Prozent und sieben Tage nach zweiter Teilimpfung eine Schutzrate von 92 Prozent (schwere Erkrankungen - Schutzraten von 62 Prozent, 80 und schließlich ebenfalls 92 Prozent).

Aus den Erfahrungen mit allen Vakzinen, bei denen eine zweifache Dosis erforderlich ist, lässt sich laut Kollaritsch ableiten: "Es ist enorm wichtig, dass möglichst viele Menschen möglichst schnell die erste Teilimpfung erhalten." Der Schutz baue sich nämlich mit der Zeit auf, die zweite Teilimpfung diene vor allem der Konsolidierung des Impferfolges.

Das hat potenziell große Auswirkungen auch auf das österreichische Covid-19-Impfprogramm. Ursprünglich sollte die zweite Teilimpfung der mRNA-Vakzine nach drei (Pfizer/BioNTech) bzw. vier Wochen (Moderna) und elf bis zwölf Wochen (Astra Zeneca) erfolgen. Reizt man aber bei den mRNA das Impfintervall auf sechs Wochen aus (maximal möglich 42 Tage) und geht man bei AstraZeneca auf die zwölf Wochen (maximal 84 Tage), gewinnt man mehr Zeit für die Erstimpfung von mehr Personen und nutzt die zur Verfügung stehenden Vakzine-Menge besser für die schnelle Schutzwirkung in der Bevölkerung.

"Wer ein Hirn hat, soll es schützen"

Der Experte: "Das Ausreizen der möglichen Impfintervalle erlaubt Flexibilität und eine wesentlich raschere Animpfung (inklusive Schutz; Anm.) der Bevölkerung mit der ersten Teilimimpfung. Der Verzicht auf das 'Vorhalten' (Aufbewahren; Anm.) der zweiten Impfdosis, da die Liefermengen ständig steigen, hätte den Effekt, dass bis zur Kalenderwoche 30 (ab 20. Juli; Anm.) bis zu zwei Millionen Personen in Österreich mehr erstgeimpft werden könnten." Dagegen ist die EU-Impfstoff-Verteilungsdiskussion mit eventuell geringen Nachbesserungen für Österreich von recht geringer Bedeutung, weil es da um Hunderttausende Dosen geht.

"Wer ein Hirn hat, soll es schützen", sagte ehemals der österreichische Erfinder der FSME-Impfung, der Wiener Virologie-Pionier Christian Kunz. Die FSME-Impfung stellt wegen der Nicht-Übertragbarkeit der Erkrankung von Mensch zu Mensch (ausschließlich von infizierten Zecken auf den Menschen) den klassischen Fall des Individualschutzes dar. Doch auch bei Covid-19, von Mensch zu Mensch leicht übertragbar, kommt es laut dem Wiener Experten primär auf den Schutz des Einzelnen durch die Impfung an.

Der Grund dafür: Vor allem mit infektiöseren Virusvarianten ist das Erreichen einer "Herdenimmunität", bei der ein hoher Prozentsatz immunisierter Menschen in der Bevölkerung auch die Nicht-Geimpften schützt, kaum zu erreichen. So ging man vom Erreichen eines "Herdenschutzes" bei den ersten SARS-CoV-2-Stämmen (Wuhan) vor der britischen BV.1.1.7-Variante ab einem Durchimpfungsgrad der Bevölkerung von 63 Prozent aus. Dies sollte bei einer Vakzine-Schutzrate von 86 Prozent und einer Basis-Reproduktionszahl der Viren von 2,7 (eine infizierte Personen steckt im Durchschnitt 2,7 weitere Menschen an) eintreten. "Die B.1.1.7-Virusvariante hat aber eine Basis-Reproduktionszahl von 4,5. Da müsste die Durchimpfungsrate bei 78 Prozent liegen", sagte Kolleritsch.

Diese "kollektive Immunität" sei nicht zu erreichen, vor allem, solange man Kinder und Jugendliche nicht durchimpfen könne, betonte der Experte. Bisher sind die Vakzine erst ab dem Alter von 16 bzw. 18 Jahren zugelassen. Studien zur Herabsetzung des Alterslimits laufen aber.

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