Das Trauma, das es nie gab: Wie verlässlich sind unsere Erinnerungen?

Das Trauma, das es nie gab: Wie verlässlich sind unsere Erinnerungen?
Lange war nichts, dann plötzlich eine Erinnerung. Ein verdrängtes Erlebnis scheint den Weg zurück ins Gedächtnis gefunden zu haben. Aber ist das möglich? Die Wissenschaft gibt Antworten.

Ein Heißluftballon schwebt über der neuseeländischen Landschaft. Aus dem Korb lächelt ein Kind in die Kamera. Er sei damals in der sechsten Klasse gewesen, erzählt der Mann Jahre später. Es sei ein Samstag gewesen, für zehn Dollar konnte man mit dem Ballon aufsteigen. Seine Mutter, die am Boden wartete, habe das Foto gemacht, das nun vor ihm auf dem Tisch liegt. 

Doch die Erinnerung des Mannes trügt. Das Bild war für eine Studie manipuliert und ihm zusammen mit drei echten Fotos vorgelegt worden. Die Wissenschafter baten ihn, vier Erlebnisse aus seiner Kindheit zu beschreiben. Das Ergebnis: Nach nur drei Befragungen hatte die Hälfte der insgesamt 20 Probanden Erinnerungen an eine Ballonfahrt erschaffen, die nie stattgefunden hatte. 

Die Studie aus dem Jahr 2002 reiht sich ein in eine lange Reihe von Untersuchungen zu Gedächtnisverfälschungen. Seit den 1990er-Jahren wurden Menschen falsche Kindheitserinnerungen an angebliche Bootsfahrten, Hundeangriffe oder Kaufhausbesuche, bei denen sie sich verlaufen haben sollen, eingepflanzt. Seither weiß man, dass das Gedächtnis nicht wie eine Schallplatte funktioniert, von der man immer wieder das gleiche Lied abspielen kann. Sondern dass Erinnerungen verblassen und verzerrt werden "und unter Umständen Erinnerungen entstehen können, die mit der Realität nichts zu tun haben“, wie die Psychologin Susanna Niehaus im KURIER-Gespräch erklärt.

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